Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
kalte Wind in die Küche fegte.
»Hey, ganz ruhig.« Sein Atem streifte ihr Haar, er schob mit dem Fuß die Tür zu, ließ Jenna jedoch nicht los. Und, verdammt noch mal, sie war so dankbar, sich an diesen starken Körper schmiegen zu können. Dankbar für seine harte männliche Anwesenheit. Für alles, Knochen, Fleisch und unerschütterliche Entschlossenheit, eingepackt in eine wasserfeste Daunenjacke. »Ich bin ja bei Ihnen.«
Ihre Knie drohten nachzugeben, und sie hielt sich an ihm fest. »Danke.« Sie wandte ihm ihr Gesicht zu, reckte sich auf die Zehen, ihre Lippen berührten sein Ohr.
Er biss die Zähne zusammen. »Danken Sie mir nicht zu früh. Wir müssen erst diesen Verrückten finden.«
»Ja, das müssen wir.« Widerwillig löste sie sich aus dieser ach so schützenden Umarmung und unterdrückte blinzelnd die Tränen, die ihr in den Augen brannten.
»Übrigens, kennen Sie zufällig einen Dichter namens Leo Ruskin?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Er hat vor ein paar Jahren in Südkalifornien gelebt, und ›Heute … Morgen … Für immer‹ war ein Vers von ihm, der für die Promotion von White Out verwendet werden sollte.«
»Das wusste ich nicht«, sagte sie ernst, »aber damals wusste ich eine ganze Menge nicht, da Robert und ich kaum noch miteinander sprachen. Ich habe meine Tage am Drehort verbracht, die Abende mit den Kindern, und alle finanziellen Dinge – die Promotion, die Durchführung, eben alles – habe ich ihm überlassen. Haben Sie mit Ruskin gesprochen?«
»Wir wissen nicht, wo er sich aufhält. Noch nicht. Aber wir werden ihn finden.« Er hielt inne. »Ich bin der Meinung, wir sollten Ihren Exmann nach ihm fragen, nach diesem Vers und nach den Personen oder Firmen, die mit den Masken für den Film betraut waren.«
»Mit den Masken?«
»Ja. Vermutlich hat doch ein Maskenbildner oder eine entsprechende Firma die Veränderungen an Ihrem Gesicht bewerkstelligt.«
Sie kniff die Augen zusammen. »Sie meinen, der Betreffende könnte etwas mit dem Finger zu tun haben, den ich gefunden habe.«
»Glauben Sie das denn nicht?«
»Ich weiß nicht, was ich denken soll, und ich erinnere mich nicht an den Namen der Firma, aber ich werde Robert anrufen. Er muss ja noch Belege haben.«
»Das sollte man meinen.«
Die Hintertür öffnete sich noch einmal, und Turnquist trat in einem neuerlichen Schwall eiskalter Winterluft in die Küche, stampfte mit den Füßen auf und blies auf seine behandschuhten Hände. Er bemerkte die Nähe zwischen Jenna und Carter und zog die Mundwinkel herab. »Bleib du am besten hier, und ich suche inzwischen das Grundstück ab.«
»Ich dachte, das hättest du gleich nach deiner Einstellung schon erledigt.«
»Ich wollte damit sagen, ich nehme alles gründlich auseinander. Irgendwoher weiß der Scheißkerl, was in diesem Haus los ist.«
»Warte auf die Staatspolizei. Ich habe sie auf dem Weg hierher angerufen.«
Turnquists ohnehin schon rotes Gesicht verfärbte sich noch dunkler. »Ich schaffe das schon.«
»Tatsächlich? Davon habe ich bisher aber noch nicht viel gesehen«, fuhr Carter ihn an. »Ich will nicht, dass Beweismaterial zerstört wird. Berichte mir haargenau, was hier los war, und dann warten wir auf die Staatspolizei.«
»Das kann noch Stunden dauern.«
»Wir haben Zeit.« Carters Handy klingelte, und er meldete sich, bereits mit den anderen auf dem Weg ins Arbeitszimmer. Critter gähnte, reckte sich, trottete dann steifbeinig zu Carter und schnupperte an seinen Stiefeln, während Allie nicht einmal mit einer Wimper zuckte.
Cassie lümmelte am anderen Ende des Sofas, und auch sie hatte schließlich der Erschöpfung nachgegeben. Den Kopf auf einen angewinkelten Arm gelegt, schnarchte sie leise in friedlichem, sorglosem Schlaf.
Jennas Herz krampfte sich zusammen, als ihr grauenhafter Traum ihr in den Sinn kam. Wie hatte es dazu kommen können, dass sie und Cassie sich so weit voneinander entfernten? Als Kind war Cassie so übersprudelnd, so glücklich, so begeistert von allem Neuen gewesen, sei es ein junger Hund, ein großes Eis oder eine Flugreise. Dann, als sie in die Pubertät eintrat und die Ehe ihrer Eltern zerbrach, war ihr diese schöne, sprunghafte joie de vivre abhanden gekommen. War es der natürliche Übergang ins Erwachsenenleben gewesen oder die Unfähigkeit ihrer Eltern, nach dem Unfall ihre Probleme zu verarbeiten?
Womit sie schon wieder bei der Tragödie angelangt war.
Ewig diese Tragödie.
Carter beendete sein Gespräch.
Weitere Kostenlose Bücher