Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
sein.«
»Von wegen!«, versetzte Rinda und nahm den Stapel Papier von der Ablage des Kopierers. »Du wirst niemals eine ›ganz normale‹ Mutter sein.«
»Okay, das mag sein, aber ich möchte zumindest jede Art von … Rummel vermeiden.«
»Das heißt, du willst nicht, dass dein berühmter Name und dein ebenso berühmtes Gesicht ausgeschlachtet werden?«
»Danke! Genau das. Heute muss ich mich auf so glamouröse Dinge wie die Reparatur meiner Pumpe konzentrieren – wir haben im ganzen Haus kein Wasser, und Hans glaubt, es liegt an der elektrischen Pumpe. Außerdem kann ich nur hoffen, dass mein Jeep wieder anspringt, wenn ich nach Hause komme. Sonst muss ich ihn in die Werkstatt abschleppen lassen.« Sie kreuzte die Finger der linken Hand und hielt sie hoch. »Vielleicht ist er nur störrisch wegen des schlechten Wetters.«
»Oder vielleicht haben die Götter der Mechanik dich mit einem Fluch belegt?«
Jenna stöhnte auf und dachte an all das, was ihr im Verlauf der vergangenen Woche widerfahren war: an die Probleme mit ihrem Computer und dem Internetzugang, an ihr Handy, dessen Akku sich nicht aufladen ließ, an die Mikrowelle, die kürzlich den Geist aufgegeben hatte, und jetzt war noch die eingefrorene Wasserpumpe hinzugekommen und der Jeep, der nicht anspringen wollte. »Ich will’s nicht hoffen. Wenn das der Fall wäre, könnte es für mich ein langer Winter werden.«
»Lang wird er sowieso. Hast du’s noch nicht gehört? Dieser Winter soll der kälteste seit siebzig oder achtzig Jahren werden. Es werden schon Wetten darüber abgeschlossen, ob der Fluss zufriert, und das ist seit den frühen dreißiger Jahren nicht mehr der Fall gewesen, glaube ich.«
»Der Fluss? Meinst du etwa den Columbia River? Er ist tatsächlich mal zugefroren?«, vergewisserte sich Jenna und sah vor ihrem inneren Auge die tosenden Wassermassen, die sich zwischen den Felsen hindurchwälzten, dem Pazifischen Ozean entgegen. Wie kalt musste es werden, damit ein Fluss dieser Größenordnung zufror?
Rinda lächelte und trank ihren Kaffee aus. »Ja, allerdings. Er war eine massive dicke Eisplatte. Wer ein Auto hatte, konnte hinüberfahren.«
»Das ist ja unglaublich.« Jenna blickte aus dem vereisten Fenster.
»Tut es dir schon Leid, dass du hierher gezogen bist?«
»Du ahnst ja gar nicht, wie furchtbar ich es bereue«, scherzte Jenna.
»Wie warm ist es heute in L. A.? Zwanzig Grad? Fünfundzwanzig?«
»Achtundzwanzig Grad, Luft wie Balsam.«
»Her mit der Sonnenmilch!«
»Sehr witzig«, versetzte Jenna, trank einen großen Schluck aus ihrer Tasse und spürte, wie der warme Kaffee ihr durch die Kehle rann. Angesichts all der Probleme, vor denen sie stand, fragte sie sich wieder einmal, ob es ein Fehler gewesen war, so hoch in den Norden zu ziehen. Zwar wollte sie es sich nicht eingestehen, aber sie hatte diesen Entschluss doch schon manchmal bereut. War der Auszug aus L. A. tatsächlich, wie Cassie ihr immer wieder vorwarf, ein Beispiel dafür, wie Jenna vor ihren Problemen davonlief, statt Lösungen zu suchen? Hatte sie, anstatt ihrer kleinen Familie ein besseres Leben zu bieten, in Wirklichkeit alles verdorben?
Die Tür zum Theater wurde geräuschvoll geöffnet, und in einem Schwall kalter Luft trat Wes Allen, Rindas Bruder, ein.
»Hi!«, begrüßte Rinda ihn strahlend.
»Hi, Rin. Hallo, Jen.« Er nickte Jenna zu, wobei sein Blick ein bisschen zu lange auf ihrem Gesicht verweilte. Wie immer. Es war nur eine Kleinigkeit, aber es störte Jenna.
Er war etwa dreißig Zentimeter größer als seine Schwester und hatte ebenso wie sie dichtes, dunkles Haar, eine schlanke Figur und regelmäßige Zähne. »Dachte, ich schau mal rein und überprüf noch mal die Beleuchtung, bevor ich zur Arbeit gehe. Vielleicht finde ich ja den Kurzschluss.«
»Das wäre prima«, sagte Rinda und bedachte ihn mit dem typischen Großer-Bruder-Blick. »Weißt du, es täte mir verdammt Leid, wenn das Haus in Flammen aufginge.«
Jenna blickte sich in dem hundert Jahre alten Holzgebäude um. Jeder Versicherungsagent musste darin einen Haufen Zunder sehen.
»Hab ein bisschen Vertauen. Das würde ich niemals zulassen.« Wes litt wirklich nicht an mangelndem Selbstbewusstsein. Er schenkte sich eine Tasse Kaffee ein, setzte sich auf die Kante ihres Schreibtisches und griff nach dem Stapel Blätter, den sie in einen Ordner gelegt hatte. »Sind das die Handzettel für die neue Produktion?«
»Ja.«
Er zog ein Blatt heraus und betrachtete es
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