Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
und Grün gehalten und erinnerte an ein Filmplakat aus den fünfziger Jahren. »Nostalgie kommt gut an.«
»Das glaube ich auch«, bestätigte Rinda, doch sie klang ein wenig zögerlich, wie immer, wenn sie über ihren einzigen Sohn sprach, und ihr Lächeln wirkte etwas verkrampft.
Jenna legte das Blatt auf den rasch wachsenden Stapel zurück, griff nach einer Thermoskanne voller Kaffee und schenkte sich eine Tasse ein. Die alte Theater-Kirche musste dringend mit Wärmedämmung und einem neuen Heizsystem ausgestattet werden. Zurzeit brannte der uralte Ofen auf Hochtouren, doch die warme Luft entwich anscheinend sofort wieder durch die Bleiglasfenster und die dünnen Holzwände des Bauwerks, das trotz Rindas Bemühungen immer mehr verfiel.
»Und wie läuft die Produktion?«, fragte Jenna. Sie hatte sich bereit erklärt, ein paar der Schauspieler zu trainieren, doch die tatsächlichen Proben sollten erst Anfang der nächsten Woche beginnen.
»Mit Kindern zu arbeiten ist immer … eine Herausforderung.«
»Sind die Erwachsenen denn so viel besser?«
Rinda zeigte mit Daumen und Zeigefinger ein winziges Stückchen an. »Unerheblich.«
Jenna lächelte. Sie fand ein Päckchen fettfreien Kaffeeweißer und legte es auf den Tresen. »Ich sag dir, es wird der Renner. Ausverkauft bis auf den letzten Stehplatz.«
»Ein Renner würde es, wenn du die Mary Bailey spielen würdest«, schmeichelte Rinda nicht zum ersten Mal.
»Dafür hast du Madge Quintanna.« Jenna öffnete das kleine Päckchen und ließ das weiße Pulver in ihren Kaffee rieseln. Sofort bildeten sich helle Wolken in ihrer Tasse. »Außerdem habe ich schon einen Job. Ich bin Coach Hughes, vergiss das nicht.«
Rinda dachte nicht daran aufzugeben. »Madge ist … Wie kann ich das behutsam formulieren? Geht wohl nicht. Madge ist furchtbar. Steif wie ein Brett, und zu behaupten, sie ›kämpfe‹ mit ihrem Text, wäre die Untertreibung des Jahres.«
»Sie wird sich bessern.« Jenna probierte einen Schluck von ihrem Kaffee. »Ich habe ihr geraten, sich den Film anzusehen, bevor ich nächste Woche anfange, mit ihr zu arbeiten. Donna Reed war unglaublich. Madge wird schon noch begreifen, worum es geht.«
»Sie ist kein Naturtalent. Du bist eines.«
Jenna ließ sich von Rindas Schmeichelei nicht beeindrucken. »Hab ich dir nicht gesagt, dass ich von Herzen gern zur Mitarbeit bereit bin, solange ich mindestens fünf Jahre lang nicht auf die Bühne muss?«
»Aber du hast einen Namen.«
»Hatte«, korrigierte Jenna. »Ich hatte einen Namen, das ist der feine Unterschied. Und nicht einmal dessen bin ich mir sicher. Ich möchte wetten, in Hollywood gelte ich längst als ›Schnee von gestern‹.«
»Du warst eine Hollywoodschauspielerin der A-Klasse!«
Jenna lachte zum ersten Mal an diesem Morgen. »Du übertreibst.«
»Wir könnten mit deiner Hilfe gute Presse kriegen.«
Innerlich schüttelte Jenna sich bei dem Gedanken. Sie hatte zur Genüge erlebt, welchen Schaden die Boulevardpresse und die Gerüchteküche einer Familie zufügen konnten. Seit dem Unfall während der Aufnahmen für ihr letztes Projekt war sie vor jedem Medien-Event zurückgeschreckt. Doch Rinda gehörte einer anderen Zeit und einem anderen Ort an und versuchte nun einmal ihr Möglichstes, um aus der bevorstehenden Weihnachts-Inszenierung einen Renner zu machen. Wenigstens für die Verhältnisse von Falls Crossing.
»Stell dir nur vor, was es für diese Produktion und für die Theatertruppe überhaupt bedeuten würde, wenn du auf der Bühne stündest! Wir könnten ein Teil der Hypothek abtragen und das alte Gemäuer gründlich aufpolieren. Wir können endlich Wärmedämmung einbauen, zum Teufel noch mal. Sogar eine kleine Weintheke einrichten. Und das wäre erst der Anfang – denk nur mal an ein computergesteuertes Beleuchtungssystem und an Vorhänge, die nicht trotz zahlloser Reparaturen immer noch in Fetzen fallen!«
»Langsam!« Jenna hob abwehrend die Hand. »Nun bleib mal auf dem Teppich. Du bist ja ganz aus dem Häuschen. Ich habe dir gesagt, dass ich gern hier mithelfe, die Finanzierung eingeschlossen, aber was Auftritte und die Nutzung meines Namens betrifft, habe ich ›nein‹ gesagt, und das war mein Ernst. Wenigstens bis auf weiteres. Ich erinnere mich daran, sehr deutlich gemacht zu haben, dass ich Zeit und Freiraum für mich und meine Kinder benötige, um Abstand von Robert und Tinseltown zu gewinnen und endlich Gelegenheit zu haben, eine ganz normale Mutter zu
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