Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
Hab ich nicht.« Sie sprang auf den hart gefrorenen Boden und fing seinen gekränkten Hundeblick auf. Sein Haar war raspelkurz geschoren, die Koteletten bleistiftdünn, sein Kinnbart war zwar nur ein Schatten, stellte aber trotzdem einen Verstoß gegen die Schulordnung dar. Er behauptete, seine Eltern kümmerten sich nicht um ihn, sein Stiefvater hielt die Schule für Zeitverschwendung. Seine Mutter hatte ihre Kinder anscheinend aufgegeben. Das College kam für ihn nicht infrage. Es sei denn, er ging zur Army. »Ich muss jetzt wirklich los.« Bevor er sie aufhalten konnte, ging sie raschen Schrittes in Richtung Schulgebäude. Die erste Unterrichtseinheit des Tages, eine Viertelstunde, die für Ankündigungen und Anwesenheitsprüfung vorgesehen war, hatte sie bereits versäumt, also saß sie in der Patsche. Noch vor Mittag würde ihre Mutter einen Anruf von der Schule erhalten. Toll.
Sie nahm eine Abkürzung durch eine Gasse und hörte, wie Josh knarzend den Gang einlegte. Dann trat er aufs Gas, und der Motor heulte auf. Die großen Reifen surrten, als er wütend zur Stadt hinausfuhr.
Na, herrlich! Sie sah sich nicht um, für den Fall, dass er sie im Rückspiegel beobachtete. Ganz gleich, was ihre Mutter dachte, Cassie tat nicht immer, was Josh wollte. Gott, es war ja nicht so, als sei sie ihm hörig oder er ihr Guru oder sonst was Blödes. Manchmal ging ihre Mom ihr furchtbar auf die Nerven.
Sie rannte die Stufen zum Eingang des Schulgebäudes hinauf.
Begreif doch mal, Mom , dachte sie verächtlich. Und überhaupt, wie lebst du eigentlich?
7. Kapitel
I ch weiß ’ne ganze Menge mehr über Pferde als über Maschinen«, gab Hans zu, wischte sich die Hände ab und betrachtete die Pumpe in dem kleinen Pumpenhaus zwischen der Scheune und der Garage. Hans Dvorak war ein kleiner, drahtiger Mann mit silbrigen Bartstoppeln am Kinn und einer platten Nase, die aussah, als sei sie vor langer Zeit einmal gebrochen gewesen. Er hatte sein ganzes Leben lang draußen mit Pferden gearbeitet, wovon seine rötliche Gesichtsfarbe Zeugnis ablegte. Es war ihm gelungen, die Bremslichter des Pick-ups zu reparieren, doch diese Pumpe war etwas anderes. »Sie ist durch und durch eingefroren.« Mit rotem Gesicht, die Skimütze über die Ohren gezogen, ließ er sich auf ein Knie nieder. »Und das hier ist die Wurzel des Übels, glaube ich. Sehen Sie sich dieses Kabel an.«
Er richtete den Strahl seiner Taschenlampe auf das betreffende Anschlusskabel. Der Draht hatte sich gelöst, das Ende war ausgefranst, als hätte ein Tier es zerbissen. »Das kann ich wahrscheinlich flicken, aber sehen Sie sich hier nur mal um.« Er ließ den Lichtstrahl durch das Innere des Pumpenhauses wandern, das kaum mehr war als ein Schuppen. Es war schmutzig, staubig, ohne richtige Wärmedämmung, sodass im Inneren Eiseskälte herrschte. An der Decke hing eine einzige trübe Glühbirne.
Das Pumpenhaus gehörte zu den Einrichtungen, auf die der Inspektor, der die Ranch vor dem Kauf abnehmen musste, sie hingewiesen hatte. Zwar hatte er zu bedenken gegeben, dass neue Leitungen verlegt, die Installationen erneuert, die Alarmanlage auf den neuesten Stand gebracht und zahllose weitere Instandsetzungen an dem Gebäude vorgenommen werden mussten, doch Jenna war entschlossen gewesen, an diesen abgelegenen Ort zu ziehen, und sie hatte sich vorgenommen, alle notwendigen Reparaturen in Angriff zu nehmen. Sie hatte bereits einen guten Anfang gemacht, doch einige der alten Einrichtungen – diese Pumpe, das elektronisch gesteuerte Tor, die Alarmanlage – schienen ihren eigenen Willen zu haben. Ganz gleich, wie oft sie sie reparieren ließ, sie gaben doch immer wieder den Geist auf.
»Wissen Sie, ich habe den McReedys schon seit Jahren damit in den Ohren gelegen, dass neue Stromleitungen nötig wären. Aber hat Asa auf mich gehört? Teufel, nein! Und als er das Haus zum Verkauf anbot, war ich sicher, dass er alles reparieren lassen würde, aber dann sind Sie gekommen, bevor er etwas unternehmen musste.«
»Ich hätte mich sofort um alles kümmern sollen, als ich eingezogen bin, aber es war so viel.« Sie hatte eine Menge Zeit und Geld darauf verwendet, neue Fenster und Türen einsetzen zu lassen, die Holzböden abzuschleifen und zu lackieren und die Stromleitungen im Hausinneren zu erneuern. Sie hatte gedacht, die Wirtschaftgebäude könnten warten. Augenscheinlich war das ein Irrtum gewesen. »Im Frühling wollte ich mit der Renovierung weitermachen. Ich fürchte, ich
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