Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
ihm Gelegenheit dazu gab.
»Komm schon, wir hauen ab.« Josh hatte den Arm um ihre Schultern gelegt, und sein Gesicht war kaum einen Zentimeter von ihrem entfernt, als sie rauchend in seinem Pick-up saßen, einem Relikt aus den Siebzigern, das er mit mächtigen Reifen, viel Chrom, schicken Radkappen und einer Stereoanlage, die das Dach von der Fahrerkabine sprengen konnte, »aufgemotzt« hatte. Die Karosserie lag so hoch, dass Cassie das Trittbrett benutzen musste, um einsteigen zu können. Josh fand seinen Wagen cool. Cassie fand ihn ziemlich bescheuert. »Wir kommen sowieso schon zu spät«, sagte er. »Warum schwänzen wir nicht einfach?«
»Weil meine Mutter mich dann umbringt«, wehrte Cassie ab. »Ich kann erklären, warum ich heute zu spät gekommen bin, da fällt mir schon was ein, aber wenn ich den ganzen Tag schwänze, kriege ich Hausarrest für den Rest meines Lebens.«
»Du kriegst ständig Hausarrest«, knurrte er.
Das stimmt, dachte Cassie, sog heftig an ihrer Zigarette und stieß den Rauch durch die Nase aus.
»Du wirst dich schon rausreden.«
»Ich muss erst mal mit dem Ärger wegen gestern Abend fertig werden.«
»Scheiße.« Er kurbelte das Fenster herunter und schnippte die Kippe seiner Marlboro aus dem Wagen. »Du hättest vorsichtiger sein sollen.«
» Wir« , korrigierte sie ihn mit mühsam unterdrücktem Zorn. » Wir hätten vorsichtiger sein müssen.« Sie warf einen Blick aus dem Seitenfenster auf den Park, der jetzt menschenleer war, die Turngeräte auf dem Spielplatz verlassen, die Bäume entlaubt. »Ich hätte mich lieber nicht rausschleichen sollen.«
»Du hast doch Spaß gehabt, oder?« Er liebkoste mit den Lippen ihren Hals, dann wanderte sein Mund weiter zu ihrem Nacken. Sie schüttelte ihn ab.
»Es war ganz nett.«
»Nein, Babe, es war toll!« Er zog sie an sich, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.
»Ja«, sagte sie ohne eine Spur von Begeisterung. Sie hatte wohl Spaß gehabt, als sie hoch oben am Berg parkten und sich mit Gras und Bier in einen netten kleinen Rausch versetzten, aber trotzdem fühlte sie sich nicht wohl dabei. Nicht weil sie erwischt worden war. Nicht weil sie sich aus dem Haus geschlichen hatte. Sondern wegen Josh. Manchmal … manchmal benahm er sich wie ein richtiger Bauernlümmel, und sie glaubte, dass er sich vielleicht doch mehr für ihre berühmte Mutter als für sie selbst interessierte. Im Gegensatz zu den Mädchen in ihrer Klasse, die eindeutig neidisch waren. Sie seufzte. In den achtzehn Monaten, seit sie hergezogen war, hatte sie keine richtigen Freunde gefunden. Niemanden, auf den sie sich hätte verlassen können. Außer Josh. Und auch der war manchmal mit Skepsis zu genießen. In L. A., in der Privatschule, auf der ihr Vater bestanden hatte, war sie immer mit einer großen Mädchenclique zusammen gewesen. Reiche Mädchen, einige aus berühmten Familien, und die meisten hatten in irgendeiner Weise mit der Film- oder Musikindustrie zu tun. Paige und Colby und Ella … echte Freundinnen, die sie verstanden. Die Trottel in Falls Crossing sahen sie an, als sei sie eine Art Kuriosum.
Vielleicht war sie das ja tatsächlich.
Sie fröstelte. Obwohl Josh die Heizung in seinem Pick-up voll aufgedreht hatte, war ihr kalt. Dieses verdammte Wetter und der blöde Pick-up passten keinesfalls zum Date ihrer Träume. In L. A. war es jetzt warm. Vielleicht sogar heiß. Und sie würde in einem BMW oder Range Rover oder Mercedes Cabrio sitzen. In einem neuen Auto, das nicht »aufgemotzt« werden musste. Dort kaufte man Autos einschließlich aller Schikanen.
»Ich finde, wir sollten mal zum Catwalk Point rauffahren«, sagte er. Ihr Inneres erstarrte zu Eis.
»Warum?«
»Hast du nichts davon gehört? Da oben haben sie eine Leiche gefunden.«
»Und du willst dahin?«
»Das ist das Interessanteste, was hier seit Jahren passiert ist. Ich finde, wir sollten uns das mal ansehen.«
»Auf gar keinen Fall.«
»Feige?«
»Da oben sind Bullen, und die würden uns beim Schwänzen erwischen.«
»Nicht, wenn wir vorsichtig sind.«
»Vergiss es.«
»Kann ich nicht«, sagte er, und in seinen Augen blitzte etwas wie makabre Erregung. Ihr lief ein Schauer der Angst – oder war es Spannung? – über den Rücken. Aber sie durfte es nicht riskieren. Nicht heute.
»Hör zu, ich muss jetzt wirklich los.« Sie drückte ihre Zigarette im Aschenbecher aus und öffnete die Tür.
»Ach, jetzt komm schon. Hast du wirklich Lust auf Chemie und Englisch?«
»Nein.
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