Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
seinen Ruhm. Der Sender KBST hat den ganzen Vormittag über Auszüge aus einem ›Exklusiv-Interview‹ mit ihm gebracht.«
»Sag doch so was nicht«, knurrte Carter. »Ich hab ihm doch eingeschärft, er soll gefälligst den Mund halten.«
»Genauso gut könntest du einem Grizzly befehlen, manierlich zu essen, wenn du ihm ein Steak anbietest.«
»Da magst du Recht haben. Gibt es was Neues über unsere Unbekannte?«
»Bisher keinerlei Übereinstimmung mit vermisst gemeldeten Personen.«
Na großartig , dachte Carter und griff nach der Fernbedienung für den kleinen Fernseher, der auf einem Aktenschrank stand. Einfach großartig .
»Was ist das hier?« BJ betrachtete die Klarsichthülle auf Carters Schreibtisch.
»Sieht aus, als hätte Jenna Hughes einen neuen Fan.«
» Du bist die Frau schlechthin? Du bist die eine Frau? Herrgott, für wen hält so ein Kerl sich? Julio Iglesias?« Sie musterte den Umschlag.
»Du meinst Enrique – oder willst du dich älter machen, als du bist?« Er blickte erneut auf den Brief, der ihm keine Ruhe ließ, auch wenn er es sich ungern eingestand. Er dachte an ihr schönes Gesicht. »Der Kerl, der ihr diesen Brief geschickt hat, bildet sich offenbar ein, sie gehörte ihm.«
»Hat sie eine Ahnung, wer es sein könnte?«
»Nein, aber sie hat mir immerhin den Namen eines Stalkers genannt, der sie vor ein paar Jahren mal belästigt hat. Vincent Paladin, so ein Typ, der sich in Videotheken herumtreibt.«
»Lebt er hier in der Gegend?«
»Weiß ich nicht. Noch nicht.« Er klopfte auf die Schreibtischplatte und furchte die Stirn. War es nur Zufall, dass Jenna Hughes den Brief zur gleichen Zeit erhielt, als eine unbekannte Tote am Catwalk Point gefunden und Sonja Hatchell als vermisst gemeldet wurde? Zwischen den Vorfällen schien kein Zusammenhang zu bestehen … oder doch?
Die Unbekannte war offenbar das Opfer eines ziemlich weit zurückliegenden Gewaltverbrechens.
Sonja Hatchell war verschwunden. Es konnte aber auch sein, dass sie sich einfach aus dem Staub gemacht hatte oder ihr in dem Unwetter etwas zugestoßen war.
Und jetzt wurde Jenna Hughes belästigt, wenn nicht gar terrorisiert.
»Hey, was ist los?« BJ blickte ihn forschend an. »Ich kann geradezu sehen, wie sich die Rädchen in deinem Gehirn drehen.«
»Ich denke nach. Glaubst du an Zufälle?«
»Nein.«
»Ich auch nicht«, sagte er, kaute auf seinem Schnurrbart und schaltete mit Hilfe der Fernbedienung den Fernseher ein.
»Oha, da haben wir’s ja.« BJ starrte auf den kleinen Bildschirm, auf dem Charley Perry in seiner ganzen Pracht und Herrlichkeit mit einer Reporterin sprach. Charleys weißes Haar war ordentlich gekämmt, sein Bart gestutzt, sein kariertes Hemd sauber und gebügelt. »Schau ihn dir an, fein herausgeputzt und geradezu würdevoll.«
»Idiot.« Angewidert stellte Carter den Ton lauter und hörte zu, was Charley Perry von sich gab. »Ich sollte ihn wegen Behinderung laufender Ermittlungen verhaften lassen.«
»Aber denk doch mal an die negative Kritik, die das unserer Behörde einbringen würde.« BJ zwinkerte ihm zu. »Vergiss nicht, du bist ein gewählter Beamter, darauf eingeschworen, Recht und Gesetz zu vertei …«
»Ja, ich habe verstanden.« Er hörte zu, wie Charley seine Theorie darüber darlegte, was seines Erachtens mit der nicht identifizierten Frau geschehen war. Dann berichtete er, wie er und sein treuer Hund Tanzy die Leiche gefunden hatten. Die Kamera richtete sich auf den besagten Hund, einen weiß und hellbraun gefleckten Köter mit ein paar Spaniel-Merkmalen. Tanzy winselte, versteckte sich hinter Charleys krummen, jeansbekleideten Beinen und weigerte sich, den Leckerbissen anzunehmen, den die Reporterin ihr anbot. Die Szene war schnell vorüber, und Carter schaltete den Fernseher aus. »Weltbewegende Nachrichten«, schimpfte er.
»Charley ist harmlos.«
»Und bescheuert.« Carters Stimmung wurde noch düsterer. Keine neuen Erkenntnisse über die ungekannte Tote, Sonja Hatchell blieb verschwunden, Jenna Hughes wurde von einem Stalker bedroht – der Tag fing schlecht an und konnte nur noch schlimmer werden.
Herrgott, ist das kalt. So kalt … und die Musik … Woher kommt die Musik?
Mit schmerzhaft klappernden Zähnen schlug Sonja die blutunterlaufenen Augen auf und versuchte, wach zu bleiben. Sie war zwischenzeitlich immer wieder aus der Bewusstlosigkeit aufgetaucht, meinte sie sich zu erinnern, doch ihr Verstand arbeitete schwerfällig, die Gedanken waren
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