Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
»Moment mal. Mit der einstweiligen Verfügung war die ganze Sache ausgestanden?« Das nahm er ihr nicht ab. Nicht eine Sekunde lang. »Er war so besessen von Ihnen, dass Sie sogar zur Polizei gingen, und dann ist er einfach verschwunden?«
»Ja.« Sie hob die Schultern. »Ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist, aber er hat mich von da an in Ruhe gelassen.«
Das gefiel dem Sheriff nicht. Er ließ ein paar Mal seinen Kuli klicken. »Wie heißt der Kerl?«
»Vincent Paladin.«
Carter kritzelte den Namen auf seinen Block.
»Adresse?«
»Wie ich schon sagte, ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist. Er war so eine Art Vagabund, vermute ich. Damals etwa siebenundzwanzig Jahre alt. Hat nie länger als ein, zwei Monate an einem Ort gelebt. Damals hatte er eine Wohnung in Compton, in L. A. County – süd-südwestlich der University of Southern California. Behauptete, er sei Student, doch die Polizei fand heraus, dass das gelogen war. Im Wirklichkeit arbeitete er in einem Copyshop – ich glaube, der Laden hieß Quicky Print.«
»Wie lange ist das her?«
»Fünf Jahre, fast sechs«, antwortete sie.
»Und seitdem haben Sie nie wieder von ihm gehört?«
»Nichts.«
Merkwürdig. War es möglich, dass Paladin hier wieder aufgetaucht war?
»Hatte der Brief Ähnlichkeit mit diesem hier?«
»Überhaupt nicht. Er war lang und weitschweifig, handgeschrieben auf gelblichem Papier von einem Block. Insgesamt umfasste er sieben Seiten, glaube ich.«
»Haben Sie eine Kopie von dem Brief?«
»Nein.« Sie bedachte ihn mit einem kleinen, entschuldigenden Lächeln. »Ich wollte nicht mehr daran erinnert werden.«
»Aber die Polizei in L. A. hat ihn sicher zu den Akten genommen, nicht wahr?«
»Das nehme ich an. Detective Brown, Sarah Brown, hat damals die Ermittlungen geleitet.«
Carter notierte sich den Namen der Zuständigen und fügte einen Vermerk hinzu, um sich selbst daran zu erinnern, bei der Polizei in Los Angeles nachzufragen. »Können Sie mir noch etwas über Paladin sagen?«
»Nicht viel.« Sie schüttelte den Kopf, wobei ihr langer Zopf zwischen ihren Schulterblättern hin und her schlenkerte. »Er war sehr introvertiert und sprach kaum über seine Besessenheit von mir.«
»Hat er Ihnen je etwas angetan?«
»Nein, und ich glaube auch nicht, dass das in seiner Absicht lag. Er war nie gewalttätig, ist nie in mein Haus eingedrungen, lungerte nur immer wieder vor dem Tor herum. Es war mir unheimlich, ihn dort zu sehen, aber er blieb nie lange.«
»Was hat es mit diesem Foto auf sich?« Carter griff wieder nach dem Folienbeutel mit dem Brief und betrachtete das Bild unter der Schrift – ein wunderschönes Foto, auf dem Jenna Hughes sexy, sinnlich und mondän wirkte.
»Eine PR-Aufnahme für Resurrection , einen Film, den ich vor fast zehn Jahren gedreht habe.«
»Hat das Bild eine besondere Bedeutung? Könnte es einen Grund dafür geben, dass jemand von allen PR-Fotos von Ihnen ausgerechnet dieses ausgewählt hat?«
»Nicht dass ich wüsste. Es gehörte einfach zur Promotion für den Film. War überall zu haben. In Videotheken, im Internet – ein Sammelstück für Fans, vermute ich. Bevor der Film in die Kinos kam, standen Tausende von Fotos zur Verfügung, aber, wie gesagt, das liegt schon lange zurück.«
Carter stellte noch ein paar Fragen zu Paladin, erfuhr aber nicht viel Verwertbares. Er nahm sich vor zu prüfen, was der Kerl jetzt so trieb, wo er sich in letzter Zeit niedergelassen hatte – ob er Jenna hierher in den Norden gefolgt war? Sachen von ihr gestohlen hatte? Sie erwähnte den Anruf und den Umstand, dass sie glaubte, die Titelmusik von einem ihrer Filme im Hintergrund gehört zu haben. Der Sheriff spürte, wie sich seine Eingeweide zusammenkrampften.
»Haben Sie Feinde?«
»Außer dem Freund meiner Tochter?«, versetzte sie, bereute es jedoch augenblicklich. Sie spielte mit den Handschuhen in ihrer Hand. »Das haben Sie nicht gehört, okay?«
»Warum?«
»Er hat nichts mit dieser Angelegenheit zu tun … Es war nur ein Scherz.«
»Scherze sind hier nicht angebracht.«
»Nein«, bestätigte sie nüchtern, und ihre grünen Augen verdunkelten sich plötzlich. »Das stimmt.«
»Was ist mit Ihrem Exmann?«
Sie schüttelte den Kopf. »Robert ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt, und außerdem verstehen wir uns recht gut.«
»Und Freunde oder ehemalige Liebhaber?«
Sie lächelte und errötete, als sei ihr die Frage peinlich. »Es gibt keine«, sagte sie, legte die
Weitere Kostenlose Bücher