Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
kondensierte. Die eisige Kälte kroch durch den alten Holzfußboden hindurch und drang in seine Wollsocken. Die nächsten zehn Minuten verbrachte er damit, das Feuer zu schüren und ein paar bemooste Eichenkloben aufzulegen, die er am Vortag hereingeholt hatte.
Als das Feuer im Ofen prasselte und Wärme sich ausbreitete, hockte er sich auf die Fersen und starrte durch das Glasfenster der Ofentür in die Flammen.
Das Kriminallabor der Polizei von Oregon hatte keine weiteren Hinweise für die Identifizierung der unbekannten Toten liefern können. Bisher wurden nirgendwo größere Mengen Alginat vermisst, wie Erkundigungen bei den Herstellerfirmen ergeben hatten, und es gab auch keine Vermerke über die Abgabe großer Mengen an Einzelpersonen, die nicht Zahnärzte oder Künstler waren oder das Zeug zu sonst einem legitimen Zweck verwendeten. Doch die Detectives der Staatspolizei waren noch mit der Überprüfung anderer Hersteller, zum Beispiel in Kanada, befasst. Sowohl der Computer als auch der Polizeizeichner arbeiteten daran, das Gesicht der Unbekannten zu rekonstruieren, doch die Ergebnisse ließen auf sich warten.
All diese Operationen brauchten Zeit.
Sonja Hatchell wurde nun schon seit achtundvierzig Stunden vermisst, und die Aussicht, sie zu finden, wurde mit jeder Minute, die verstrich, geringer. Deputys hatten einen Suchtrupp aus Freiwilligen organisiert, der zwar noch arbeitete, aber durch das schlechte Wetter behindert wurde. Alle befahrbaren Straßen und Brücken waren mehrfach abgesucht worden. Immer noch nichts. Es war, als seien sie und ihr Wagen vom Erdboden verschwunden.
Dann war da noch der Fall der verschwundenen Kleidungs- und Schmuckstücke von Jenna Hughes, des beängstigenden Anrufs und des anonymen Briefs, und hinzu kamen die Schäden durch das Unwetter, das sich immer noch nicht gelegt hatte. In den letzten paar Tagen hatte der Wind nachgelassen, und der Schneefall hatte gerade lange genug ausgesetzt, dass die Streumannschaften mit den Schneepflügen Schritt halten konnten, doch dann schneite es von Neuem. Auf der I-84 war es zu zwei weiteren Unfällen gekommen, sodass die Polizei die Interstate schließlich wieder sperren musste.
Häuser ohne Strom waren evakuiert worden, sämtliche Bergbäche waren massiv zugefroren. Sogar die größeren Flüsse begannen zu vereisen. Alles in allem herrschte Chaos, und laut dem verdammten Wetterdienst war kein Ende in Sicht. In den Medien gaben fröhliche Reporter in Designer-Skianzügen die Schneehöhe durch, wurden Videos von Kindern gezeigt, die auf den Straßen der Stadt Schlitten fuhren, von Autos, die von der Straße rutschten, von LKW-Schlangen, die entstanden waren, weil die Lastwagenfahrer den Weg durch die Berge nicht schafften, und von Skilangläufern auf den Straßen von Portland. Währenddessen waren Carter und seine überforderte Mannschaft zusammen mit der Staatspolizei, der Verkehrsbehörde und allen möglichen Dienstleistungs-Gesellschaften rund um die Uhr für die Sicherheit der Straßen und Einwohner im Einsatz. Die sie nicht gewährleisten konnten.
Herrgott, er war müde.
Draußen fegte der Wind durch den Wald. Carter knurrte etwas Unverständliches, dann ging er in die Küche und öffnete den Kühlschrank. Statt eines gehaltvollen Abendessens nahm er jedoch nur die Eiswürfel heraus und holte dazu eine Flasche Jack Daniels aus dem Schrank. Er schlug den Eiswürfelbehälter auf die Arbeitsplatte, sodass ein paar der Würfel durch den Raum flogen, und schenkte sich einen Drink ein. Eigentlich hatte er die nächsten zwei Tage dienstfrei, doch er rechnete damit, noch vor Tagesanbruch gerufen zu werden.
Trotzdem blieb ihm noch Zeit für einen kleinen Drink.
Er schlürfte den Whiskey, schmachtete nach einer weiteren Zigarette, ignorierte das Verlangen jedoch, setzte sich an den Schreibtisch und fuhr den Computer hoch. Das Licht flackerte, und er musste den Computer neu starten. Der Strom fiel jedoch nicht ganz aus, und die Internetverbindung kam zustande. Ohne zu zögern rief er eine Suchmaschine auf und gab Jenna Hughes’ Namen ein.
Die Zahl der Seiten zu diesem Thema war astronomisch. Insbesondere für eine Schauspielerin, die nicht mehr arbeitete, einen Star von gestern, der eigentlich aus dem Blickfeld des Publikums hätte verschwunden sein müssen. Carter öffnete die erste Fan-Club-Seite und hatte sogleich ein Computerbild Jennas vor sich, das Äquivalent des Internets für ein Glanzporträt. Auf dem Bild war sie der Kamera
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