Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
Atem aus, dass ihre Ponyfransen in Bewegung gerieten, und sah Carter direkt in die Augen. »Und dann ist die Du-weißt-schon am dampfen. Und wie. Jim hat diese antiquierte Einstellung, dass seine kostbare Tochter nicht trinkt, keine Drogen nimmt und als Jungfrau in die Ehe geht, und zwar erst wenn sie die Dreißig längst überschritten hat, wenn es nach Daddys Kopf geht.« BJ straffte sich in ihrem Sessel. »Ich schätze, es ist an der Zeit, dass wir den Tatsachen ins Auge sehen. Wir alle.« Sie streckte die Arme aus und ließ ihre Knöchel knacken. »Okay, so viel zu meiner Bilderbuchfamilie. Was gibt es Neues?«
»Nicht viel Gutes«, gab Carter zu und klärte sie auf. »Nachdem ich Cassie Kramer zu ihrer Mutter gebracht hatte, wurde ich zu einem Einbruch bei den Tanners gerufen. Jemand hatte Werkzeuge aus dem Schuppen geklaut. Spuren führten den Hügel hinab bis zur Straße. Dann habe ich mir die Jungen vorgenommen, und den Rest des Vormittags habe ich mit Gesprächen mit der Staatspolizei von Oregon zugebracht. Die Unbekannte ist noch immer nicht identifiziert. Von Sonja Hatchell fehlt bislang auch jede Spur. Ich habe heute schon zweimal mit Lester gesprochen, und Suchtrupps haben die Wälder in der Nähe seines Hauses und auch die Umgebung des Imbisses durchkämmt. Sie haben nichts gefunden. Ich habe alle Krankenhäuser und Notfallkliniken überprüft. Niemand hat Sonja Hatchell gesehen.«
»Was ist mit ihrem Wagen?«
Shane schüttelte den Kopf. »Ist bisher ebenfalls nicht gefunden worden. Es liegen auch keinerlei Bußbescheide gegen sie vor. Der Wagen ist in keiner Werkstatt oder Lackiererei aufgetaucht. Wenn das Wetter aufklart, will die Staatspolizei Hubschrauber einsetzen, um zu prüfen, ob er womöglich von der Straße abgekommen ist und irgendwo feststeckt.« Er begegnete ihrem sorgenvollen Blick. »Aber wenn das der Fall sein sollte, besteht kaum noch eine Chance, dass sie lebt.«
»Es ist zum Kotzen«, kommentierte BJ. Die Sorgen um ihre Tochter waren zeitweise vergessen. »Menschen können nicht einfach vom Erdboden verschwinden – es gibt keine Aliens in UFOs, die Einwohner von Falls Crossing entführen, ganz gleich, was Charley Perry sagt.«
»Aber sie könnte entführt worden sein. Nicht von Aliens, aber es besteht immerhin die Möglichkeit, dass ein Bewaffneter ihr aufgelauert und sie gezwungen hat, irgendwohin zu fahren.«
»Wo war dann sein Fahrzeug?«, fragte BJ und verzog das Gesicht, während sie angestrengt die Situation am vermutlichen Tatort rekapitulierte. »Wie ist der Täter zu dem Imbiss gekommen? Zu Fuß? Oder hat er seinen Wagen irgendwo in der Nähe versteckt, wo ihn niemand gesehen hat, und ihn dann später abgeholt?« BJ dachte laut, den Blick auf eine Ecke des Schreibtisches geheftet, doch Carter wusste, dass ihre Gedanken woanders waren, dass sie versuchte, sich vorzustellen, was mit Sonja Hatchell geschehen war.
»Falls sie entführt wurde – ob das der Fall ist, wissen wir nun mal nicht genau –, ist es vielleicht gar nicht bei diesem Imbiss passiert«, gab Carter zu bedenken. »Möglicherweise hat der Täter sie irgendwo von der Straße abgedrängt – oder er hat sie angehalten oder so – und ist dann in ihren Wagen eingedrungen. Vielleicht hat sie ihn sogar freiwillig einsteigen lassen. Es war spät, und das wäre bestimmt nicht klug gewesen, aber vielleicht hat sie jemandem helfen wollen, der in dem Unwetter feststeckte.«
»Irgendwo muss er aber dennoch ein Auto oder einen Kombi oder einen Pick-up abgestellt haben.«
»Irgendwo in der Nähe der Stelle, an der sie entführt wurde. Aber seitdem sind mehrere Tage vergangen – er könnte ihn inzwischen abgeholt haben.«
»Wie denn – zu Fuß? In dieser Kälte? Oder per Anhalter?«
»Oder mit einem Komplizen.«
»Lieber Himmel, mehr als ein Täter?«
»Möglich wär’s«, beharrte Carter. »Sparks arbeitet auch an dieser Theorie. Er hat sogar vorgeschlagen, die Staatspolizei solle sich an die Presse wenden, von dort sei möglicherweise Hilfe zu erwarten. Ich bin ganz seiner Meinung.« Carter spielte schon eine ganze Weile mit diesem Gedanken. Reporter waren gewöhnlich eine lästige Brut, immer zur Stelle, immer auf der Suche nach dem großen Coup, immer zu Spekulationen über die Vorfälle bereit. Doch mitunter waren sie den Ermittlungen auch dienlich, statt sie zu behindern. Beispielsweise indem sie die Einwohner vor Gefahren warnten oder die Bevölkerung zur Unterstützung aufriefen.
Wenn es nach
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