Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
wütend und aufgebracht und wusste, dass sie nicht zu ihrer Tochter durchdringen konnte.
»Weißt du, Mom, vielleicht geht es hier gar nicht um mich. Du bist in letzter Zeit so furchtbar angespannt. Aber das bist du zu Weihnachten ja immer.«
Das stimmte. Seit der Tragödie bei den Dreharbeiten zu White Out hatte Jenna eine Aversion gegen alles, was auch nur entfernt mit Weihnachten zu tun hatte.
Cassie ließ sich auf ihrem Stuhl tiefer gleiten und hielt die Tasse in Höhe ihrer nackten Körpermitte. »Die meisten Familien haben Spaß während der Feiertage, weißt du? Sie feiern Partys, schmücken den Weihnachtsbaum, singen Weihnachtslieder und gehen einkaufen und Schlitten fahren.«
»Willst du das auch? Weihnachtslieder singen und einkaufen und Schlitten fahren?«, fragte Jenna, schenkte sich ebenfalls eine Tasse Kaffee ein und stellte dabei fest, dass ihre Hände leicht zitterten. Reiß dich zusammen. Du kannst Jill nicht wieder lebendig machen. Es war ein Unfall, hast du das vergessen? Doch der nagende Verdacht, dass das, was in Colorado geschehen war, mehr als ein dummer Unfall war, hatte sie nie losgelassen, war in einem Winkel ihres Bewusstseins stets gegenwärtig und mischte sich mit dem Schuldgefühl, weil sie überlebt hatte, während ihre kleine Schwester umkam.
»Vielleicht«, sagte Cassie gleichgültig.
Jenna konnte sich nicht vorstellen, dass ihre älteste Tochter im Wollmantel, einen Schal um den Hals gewickelt, durch die vereisten Straßen von Falls Crossing stapfte und die Nachbarn fröhlich mit Weihnachtsliedern wie ›Stille Nacht‹ und ›Kommet, ihr Hirten‹ beglückte. Nein, das passte einfach nicht zu ihr.
Cassie stellte ihre Tasse auf den Tisch. »Himmel, ich will einfach nur ein bisschen Spaß haben. Ist das denn so schlimm?«
Jenna rührte Sahne in ihren Kaffee. »Und es macht wohl Spaß, sich nachts davonzuschleichen und am Schauplatz eines Mordes Drogen zu nehmen?«
»Ja!« Cassie lehnte sich noch weiter zurück, sodass sich die Haut ihres Unterleibs spannte, und verschränkte die Arme unter der Brust. Ihr Nabelpiercing blinkte im Licht der Küchenlampe. »Es ist allemal besser, als hier rumzuhängen und nichts zu tun.« Sie blickte sehnsüchtig zum Fenster hinaus. »Ich habe dieses Wetter so satt. Echt, ich rufe Dad wirklich an. Er erlaubt mir bestimmt, zu Weihnachten nach Hause zu kommen.«
Nach Hause. Jennas Herz krampfte sich zusammen, und sie setzte sich ihrer Tochter gegenüber an den Tisch. Cassie hatte dieses Haus nie als ihr Zuhause betrachtet, war immer noch der Meinung, in Südkalifornien daheim zu sein. »Das wäre vielleicht keine schlechte Idee«, sagte sie, obwohl die bloße Vorstellung ihr zuwider war. »Bis dahin kannst du mir bei den Weihnachtsdekorationen im Haus helfen. Und jetzt … reden wir über Sex, Drogen und Alkohol.«
Cassie stöhnte. »Muss das sein?«
»O ja«, versetzte Jenna und trank einen wärmenden Schluck Kaffee.
Mit äußerster Sorgfalt malte er ihr Gesicht an. Er tauchte den Pinsel in die Farben auf der Palette, mischte behutsam die fleischfarbenen Töne und arbeitete unermüdlich. Währenddessen spielte Musik: Die Titelmusik von Bystander tönte aus beinahe zwanzig Lautsprechern, die er überall auf seiner privaten Bühne und im Arbeitsbereich angeschlossen hatte. Er liebte diese Musik; es war sein Lieblings-Soundtrack, und als er den Blick zu der Bühne erhob, auf der die Schaufensterpuppen posierten, war er stolz.
Die meisten Figuren waren in perfekte Nachbildungen der Original-Kleidungsstücke aus seinen liebsten Jenna-Hughes-Filmen gekleidet. Einige waren noch nackt, warteten auf das richtige Kostüm, und alle waren bisher kahlköpfig und gesichtslos, ohne erkennbare Züge. Das sollte sich jetzt ändern.
Er betrachtete die Bühne, auf der bewegungslos seine Traumfrauen standen. Zwar waren sie noch nicht fertig, doch er stellte sie sich genauso perfekt vor, wie sie in Jennas Filmen gewesen waren.
Marnie Sylvane, die einsame Lehrerin aus Summer’s End , stand neben Katrina Petrova aus Innocence Lost . Katrina war Jennas erste Rolle gewesen; bereits als Teenager hatte sie die junge Prostituierte gespielt. Von Katrina abgewandt stand Anne Parks, die psychopathische Mörderin aus Resurrection . Und ein bisschen weiter zum Bühnenrand hin stand Paris Knowlton, die junge verängstigte Mutter aus Beneath the Shadows , die sich das Rampenlicht mit Rebecca Lange, der Abfahrtskiläuferin aus dem nie fertig gestellten Film White Out
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