Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
gefallen. Trotzdem – all das war keine Entschuldigung für offene Rebellion und einen solchen Schweinestall.
»Cass, wach auf«, sagte Jenna leise und setzte sich auf die Kante des zerwühlten Betts.
Als Antwort ertönte ein verschlafenes Brummen.
»Wir müssen reden.«
»Jetzt?« Cassie hob den Kopf, öffnete die verquollenen Augen und richtete den Blick auf den Nachttisch, auf dem die Ziffern ihres Radioweckers rot leuchteten. Sie stöhnte auf und krächzte: »Mom, ich bin noch sooo müde.«
»Kann ich mir vorstellen. Aber du weißt ja, was ich dir immer sage: Früh übt sich …«
»Ja, ja. ›Früh übt sich, was ein Meister werden will.‹ Ein dummes Sprichwort.«
»Ja, aber ein Sprichwort, nach dem wir uns in Zukunft richten werden. Also komm mit nach unten, bevor deine Schwester aufwacht.«
»Aber es ist noch so früh!«
»Finde ich nicht. Ich mache Frühstück.«
»Würg.« Sie seufzte laut, als sei sie der meistgequälte Teenager auf der Welt.
Erbarmen , dachte Jenna, stand auf und sagte: »Du hast fünf Minuten Zeit.« Damit schlüpfte sie rasch aus dem Zimmer und lief die Treppe hinunter, bevor ihre Tochter auch nur eine Silbe des Protests von sich geben konnte. Sie war nicht mehr so wütend wie in der Nacht zuvor, wollte Cassie aber doch ordentlich aufrütteln. Was hatte die Kleine sich nur gedacht? Gar nichts, Jenna. Das ist ja das Problem. Cassie ist noch ein Kind. Sie wollte nur Spaß haben und mit ihren Freunden Unfug machen. Das hast du selbst mehr als einmal getan.
Trotzdem war Cassie auf dem besten Wege, sich in größte Gefahr zu begeben – Gefahr, die ihr Leben verändern, wenn nicht bedrohen würde –, und das machte Jenna wahnsinnige Angst.
Sie wischte gerade verschüttetes Kaffeepulver auf, als sie die gedämpften Schritte ihrer Tochter auf der Treppe hörte.
»Okay, ich bin wach«, murrte Cassie und tappte barfuß über den Holzfußboden der Küche. Sie trug eine Pyjamahose und ein abgeschnittenes Flanell-Top, das ihren Nabel frei ließ, und hatte eine verdrießliche Miene aufgesetzt. »Kann das nicht warten?«
»Es hat schon zu lange gewartet.«
»Toll.« Gähnend ging sie zur Kaffeemaschine, schenkte sich eine Tasse Kaffee ein und setzte sich an den Tisch. »Dann schieß mal los.«
»Hör auf mit diesem Benehmen, Cass. Es hängt mir zum Hals heraus. Ich will, dass du heute dein Zimmer aufräumst, und zwar picobello, und dann rufst du deinen Vater an und berichtest ihm alles, was gestern Nacht vorgefallen ist. Ich habe schon versucht, ihn zu erreichen, aber er war ›aushäusig‹. Vielleicht hast du mehr Glück. Außerdem bin ich der Meinung, du selbst solltest ihm sagen, was du angestellt hast. Und dann, wenn das alles erledigt ist, werden wir mal über deinen Umgang reden.«
»Also über Josh.«
»Im Augenblick bin ich nicht gerade begeistert von ihm.«
»Du hast ihn noch nie gemocht«, ging Cassie zum Angriff über. Sie trank einen kleinen Schluck Kaffee.
»Es geht nicht um ihn, das habe ich dir doch schon gesagt. Mir gefällt nicht, was mit dir passiert. Wie um alles in der Welt kommst du auf die Idee, dich aus dem Haus zu stehlen und zum Point raufzufahren?«
»Das war doch harmlos.«
»Erzähl das mal Sheriff Carter.«
Cassie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. »Er mag dich, wie?«
»Was soll das heißen?«
»Ach, Mom, du bist doch nicht blöd. Der Typ fährt auf dich ab. Ist das nicht unheimlich? Wie die Männer dich anhimmeln? Mr Brennan. Mr Settler. Und jetzt der Bulle. Himmel, hast du eine Ahnung, wie viele von diesen einheimischen Bauernlümmeln im Internet surfen und sich deine Website ansehen und all die anderen Seiten über dich? Möchte wetten, dass sogar Hans sich deine Filme ausleiht und … ach, Scheiße …« Sie blinzelte hastig und wischte sich über die Augen, dann schniefte sie laut. »In L. A. war alles so viel einfacher.«
»Das mag sein«, gestand Jenna ihr zu. »Aber deswegen brauchst du nicht in Gossensprache zu verfallen, und wir reden hier auch nicht über mich oder meine Website oder den Umzug. Wir reden jetzt über dich, deine Einstellung und deine Lügen mir gegenüber. Du bist auf dem falschen Weg, Cassie, und ich habe Angst um dich. Große Angst. Du könntest dich für etwas entscheiden, was dein Leben für immer verändert.«
»Bei mir ist alles in Ordnung«, behauptete Cassie. Ihre Augen waren wieder trocken. Sie reckte das Kinn vor und presste die Lippen zusammen.
»Tatsächlich?«, hakte Jenna nach. Sie war
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