Sanfte Eroberung
Keine andere Frau. Keine andere Ehefrau. Aber ich beabsichtige, deinem Wunsch nachzukommen. Ich werde dir nicht mehr nachstellen und mir den Kopf an den Mauern anschlagen, die du um dich errichtet hast. Solange du nicht zustimmst, mich zu heiraten, werde ich mich von dir fernhalten.«
Seine Hände umfassten sachte ihre Schultern, bevor er sie ein Stück beiseiteschob, die Tür öffnete und in den Kirchengang hinaustrat. Als er sich zu ihr umsah, waren seine Augen dunkel wie die Nacht und glühten wie Feuer.
»Zwischen uns existiert etwas Einzigartiges, Seltenes, Lily. Nur ein Narr würde es wegwerfen. Ich hielt dich nie für eine Närrin, aber vielleicht habe ich mich getäuscht.«
Damit ließ er sie stehen. Er hätte sie kaum mehr aufwühlen können, hätte er sie geschüttelt. Sie fühlte sich benommen, unglücklich und elend.
Was überaus närrisch war. Heath sollte nicht die Macht besitzen, sie zu verletzen. Aber er war fort, wie Lily begriff, der Tränen in den Augen brannten.
Als sie sich ihrer Schwäche gewahr wurde, wischte sie sich energisch die Tränen weg. Sie würde keinen Mann beweinen, wie es ihre Mutter so oft getan hatte ! Nein, sie hatte gar keinen Grund, zu weinen. Genau so hatte sie es sich doch gewünscht, erhofft! Heath ließ sie endlich in Ruhe.
Sie hatte richtig gehandelt, indem sie seinen Antrag ablehnte. Und sie hatte Recht, seinen zweifelhaften Liebesbekundungen zu misstrauen. Zwar konnte sie den entsetzlichen Schmerz nicht leugnen, der tief in ihrem Bauch wütete, aber ihr hätte ein ungleich größerer geblüht, hätte sie sich gestattet, Heath zu lieben.
Nachdem sie sich ein letztes Mal die Augen gewischt hatte, ging sie hinaus, um nach Basil zu suchen.
»Wo zum Teufel warst du? «, fragte er sie, als sie ihn draußen fand. »Du wolltest, dass ich dir nicht von der Seite weiche! «
»Schon gut! Kannst du mich bitte nach Hause bringen? «
Er sah sie besorgt an. »Was ist mit dir, Lily? Hast du geweint? «
»Ja, weil ich traurig bin, meine Schwester zu verlieren. Aber es ist alles bestens, wirklich, ich fühle mich gut. «
Das redete sie sich wieder und wieder auf der Fahrt zurück zur Pension ein, auch wenn sie es sich selbst keine einzige Sekunde glaubte.
Bei ihrer Ankunft wurde Lily jäh aus ihrem Gefühlswirrwarr gerissen.
Sie spürte sofort, dass etwas nicht stimmte, als Ellen ihnen aufgeregt entgegengelaufen kam. Anscheinend hatte die Zofe bereits auf sie gewartet.
»Ah, Miss Loring! Miss Delee möchte Sie umgehend sehen! «
»Was ist geschehen, Ellen?«, erkundigte Lily sich erschrocken.
»Ich weiß es nicht genau, aber ich glaube, es hat mit Miss Irwin zu tun.«
»Wo ist Miss Delee?«
»In ihrem Salon oben.«
»Ich gehe sofort zu ihr«, versprach Lily und wandte sich rasch um.
Sie eilte die Treppe hinauf, Basil dicht auf ihren Fersen. Oben im Privatsalon der Kurtisanen fand sie Chantel vor, die aufgeregt die Hände rang, während Fleur unruhig auf und ab ging. Eine weitere Frau saß auf dem Sofa, deren Gesicht tränennass war.
Lily erkannte Fannys Zofe, Joan Tait, sofort.
»Gott sei Dank, du bist hier, Lily! «, rief Chantel aus, und prompt hob Fleur ruckartig den Kopf.
»Wo ist Lord Claybourne, Lily?«, fragte sie unglücklich. »Wir brauchen ihn umgehend!«
»Warum?«, fragte Lily verwirrt, die von Fleur zu Chantel blickte. »Was ist passiert? «
»Dieser abscheuliche O'Rourke hat Fanny entführt, und wir brauchen Claybourne, damit er sie rettet! «
Achtzehntes Kapitel
Für einen Adeligen ist Lord Claybourne ausgesprochen furchtlos und wagemutig, regelrecht heroisch.
Lily an Fanny
»Er hat Fanny entführt?«, wiederholte Lily, deren Magen sich vor Angst zusammenkrampfte.
»Ja«, antwortete Chantel weinerlich. »Dieser Teufel hat sie am helllichten Tage verschleppt. Joan hat alles mitangesehen.«
Lily bemühte sich, ihren Schrecken zu verbergen, als sie sich an Fannys Zofe wandte. »Erzähl mir genau, was geschehen ist! Du hast gesehen, wie Miss Irwin entführt wurde? «
Joan Tait schluckte ihre Tränen hinunter und nickte energisch. »Ja, gleich als Miss Irwin von der Hochzeit zurückgekommen war. Mr. 0'Rourkes Kutsche wartete auf der Straße vor ihrem Haus. Ich habe vom oberen Fenster gesehen, wie er die Tür aufmachte. Dann sprangen zwei stämmige Kerle heraus, die Miss Irwin in die Kutsche schubsten, und dann fuhren sie weg. Ich habe alles mit eigenen Augen gesehen! «
»Sie ist also nicht freiwillig mitgefahren?«, hakte Lily nach,
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