Sanfter Mond - Hawthorne, R: Sanfter Mond - Dark Guardian - 02 Full Moon
zugehumpelt kam. Ich war froh, dass ich wegen der Dunkelheit den Schmerz in seinen Augen nicht sehen konnte. Er legte den Kopf in meinen Schoß. Ganz sanft griff ich in sein Fell und strich über seine Schulter bis zum linken Vorderbein.
»Gleich wird’s sehr schmerzhaft, tut mir leid«, sagte ich, als ich den gebrochenen Knochen wieder in die richtige Position brachte. Er zuckte zusammen, gab jedoch keinen Laut von sich. Selbst als Wolf musste er den Macho spielen. »Jetzt müsste es wieder in Ordnung kommen«, sagte ich und lachte unsicher. »Ich weiß nicht, warum ich mit dir rede. Du kannst meine Gedanken lesen, nicht wahr? Ich wünschte, ich könnte deine lesen. Oder vielleicht besser nicht. Deine sind momentan von Schmerzen erfüllt.«
Wenn wir uns verwandeln, bekommen wir telepathische Fähigkeiten. Auf diese Weise kommunizieren wir miteinander, während wir uns in unserer Wolfsgestalt befinden. Darüber hinaus können wir auch die Gedanken derer lesen, die Menschengestalt haben.
Rafe leckte meinen Unterarm, entweder um mein Gerede zu stoppen oder um mir zu signalisieren, dass er seinen Zustand ertragen konnte.Am liebsten hätte ich mein Gesicht in sein Fell gepresst und geweint. Ich fand es schrecklich, was er durchmachen musste, und fühlte mich hilflos. Ich konnte kaum etwas für ihn tun. Er fing erneut an zu lecken.
»Das ist unfair«, sagte ich. »Meinst du, ich wüsste nicht, dass das bei Wölfen das Äquivalent für einen Kuss ist?« Ich versuchte, meine Gedanken neutral zu halten, damit er nicht merkte, wie sehr ich seine Nähe genoss, selbst wenn er sich in seiner Tiergestalt befand. Nach einer Weile stellte ich fest, dass kein Blut mehr aus der Wunde floss. Vorsichtig strich ich über die Stelle, wo sich verletztes Gewebe befunden hatte. Sie fühlte sich wieder glatt und heil an. Bei Muskeln und Knochen würde es wahrscheinlich ein wenig länger dauern.
Unsere schnelle Wundheilung war einer der Gründe, weshalb sich Bio-Chrome für uns interessierte. Aber daran wollte ich nicht denken. Obwohl ich mich bemühte, alle Gedanken abzuschalten, sann ich unwillkürlich darüber nach, wie wunderschön Rafe als Wolf war. Ich hatte ihn schon öfter in Wolfsgestalt gesehen und wusste trotz des spärlichen Lichts, wie er aussah. Sein Fell war genauso schwarz wie sein Haar, so schwarz, dass es mitunter bläulich schimmerte. Es war prachtvoll, das prachtvollste Fell, das ich je gesehen hatte.
Lucas’ Pelz war eine Mischung aus Schwarz, Weiß, Silber und Braun. Connor hatte sandblondes Haar, und sein Wolfspelz schimmerte golden. Mein Haar war weißblond, und ich fragte mich, ob ich wohl wie ein Polarwolf aussehen
würde. Würde ich hübsch sein? Oder würde ich nichts Besonderes an mir haben?
Zerbrach ich mir schon jetzt den Kopf über Haare, Make-up und Kleidung, um immer möglichst attraktiv auszusehen, würde ich in Zukunft auch noch mein Erscheinungsbild als Wolf zu bedenken haben.
Rafe stupste mich am Arm, womit er mir offensichtlich signalisieren wollte, dass ich sein Vorderbein nicht länger halten musste. Ich streichelte seinen Hals und genoss es, sein weiches Fell zu berühren. »Du musst müde sein nach all den Schmerzen. Ruh dich einfach ein bisschen aus.«
Aus Gewohnheit sprach ich meine Gedanken laut aus.
Du bist wunderschön , dachte ich, ein Gedanke, den ich niemals laut ausgesprochen hätte, genauso wenig wie, dass ich ihn auch in menschlicher Gestalt attraktiv beziehungsweise sexy fand.
Meine Gedanken bewegten sich auf verbotenem Terrain. Ich rief mir einen Song von den Nine Inch Nails ins Gedächtnis, dessen wilder Rhythmus alles andere ausblenden sollte.
Rafe rückte von mir weg. Augenblicklich vermisste ich seine Wärme und das Gefühl seines weichen Fells unter meinen Händen. Am liebsten hätte ich ihn zurückgerufen. Stattdessen summte ich den Song laut vor mich hin.
Etwas landete in meinem Schoß.
»Meine Anziehsachen. Roll sie zusammen.« Er hatte wieder seine menschliche Gestalt angenommen, um mit mir zu sprechen und mir zu versichern, dass sein Arm verheilt war. »Dann halt dich an meinem Fell fest. Als Wolf bin ich stärker und trittsicherer.«
Während ich seine Kleidung aufrollte und unter den Arm klemmte, hatte er sich abermals verwandelt und stupste mich an. Ich packte in sein Fell und ließ mich von ihm führen. Wir kamen langsam voran, da er Felsvorsprünge suchen musste, die mir als Stufen dienten. Ein bis zwei Mal verlor ich den Halt, aber er war immer zur
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