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Sanfter Mond über Usambara

Sanfter Mond über Usambara

Titel: Sanfter Mond über Usambara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Bach
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in denen das Wild gern Zuflucht vor Raubtieren suchte. Verärgert dachte sie daran, dass sie den Bach auch damals hätten durchreiten können, gar so wild, wie George behauptete, war die Strömung nicht gewesen. Sie hatte nicht darauf bestanden, weil sie Rücksicht auf ihn nehmen wollte. Es war ihr erster Ausflug nach seiner Krankheit gewesen, und sie fürchtete, er könne sich überanstrengen. Jetzt aber fiel ihr ein, dass er auch bei früheren Ausritten am Kilimandscharo übertrieben vorsichtig gewesen war. Er suchte nicht das Abenteuer, wenn er gemeinsam mit ihr unterwegs war, das tat er nur allein, auf seinen Reisen und Expeditionen. Hatte sie tatsächlich einmal davon geträumt, an seiner Seite durch die Wüste zu reiten, Sandstürme zu bestehen, den tödlichen Gefahren der gewaltigen Sanddünen zu trotzen? All das war nichts als Illusion gewesen– bisher hatte er dafür gesorgt, dass ihre Ausritte nicht abenteuerlicher waren als der Nachmittagsausflug einer Schulklasse.
    Sie hatte soeben die ersten Bäume erreicht, da hörte sie Simba knurren und blickte sich suchend um. Witterte der Hund eine Gefahr? Sie war unbewaffnet, wie meist, wenn sie durch die Felder ritt– die Waschamba verhielten sich friedlich, und außer Leoparden gab es keine gefährlichen Raubtiere.
    Simbas Knurren wurde drohender, und jetzt hörte sie es auch. Seltsame Geräusche drangen aus dem Bergwald zu ihnen herüber. Es klang wie Tiergebrüll, Charlotte glaubte, einen Stier zu erkennen, dann wieder den Schrei eines Leoparden, Vogelrufe, das Gezeter eines Hundsaffen… War ihr die Hitze zu Kopf gestiegen? Diese Rufe konnten unmöglich von Tieren stammen– wie sollte wohl ein Stier dort hinauf auf den Berg gelangen? Sie zuckte zusammen, als sie eine Bewegung zwischen den Bäumen bemerkte. Ein merkwürdiges Wesen sprang dort umher, ein Faun mit gebogenen Hörnern, halb Mensch, halb Stier, eine magische Ausgeburt des Waldes. Das Maultier war erschrocken zur Seite gewichen, und sie musste es hart zügeln, damit es nicht durchging. Simba duckte sich ins Gras und starrte mit glänzenden Augen auf die unheimliche Erscheinung.
    Eine Maske! Großer Gott– sie hatte sich ins Bockshorn jagen lassen! Es war ein Eingeborener, vermutlich ein Medizinmann, ein Zauberer der Waschamba, der eine Stiermaske über den Kopf gestülpt hatte. Ein mächtiges Ding, aus braunem Leder gefertigt und mit riesigen, aufgemalten Augen, in denen sich Sehschlitze befanden. Die Hörner, welche die Maske krönten, waren überdimensional groß und krümmten sich gegeneinander, so dass in der Mitte ein Kreis entstand.
    Das Geheule und Gebrüll wurde lauter, doch es handelte sich eindeutig um menschliche Stimmen, die allesamt Tierlaute nachahmten. Jetzt zeigte sich ein zweiter Eingeborener mit einem Leopardenfell über dem Rücken. Er hatte sein Gesicht kunstvoll mit weißer und schwarzer Farbe bemalt und trug den Kopf des chui wie eine Mütze auf dem kahl geschorenen Schädel. Weitere Schwarze erschienen, Männer, nur mit Lendenschurzen bekleidet und mit Amuletten behängt, und Frauen, die sich rötliche Tücher um den Körper gewickelt hatten. Fast alle hatten ihre Ohrläppchen durchstochen, um irgendwelche runden Gegenstände in das Loch zu stecken, bei vielen war die Haut gerissen und hing in Fetzen herunter.
    Die Waschamba zogen an Charlotte vorüber, ohne sich weiter um sie zu kümmern, die wenigen Blicke in ihre Richtung waren weder freundlich noch unfreundlich, sie waren leer. Kehrten sie von einer Beerdigung zurück, einer dieser geheimen Zeremonien, von denen ihr die Missionare in Hohenfriedeberg voller Abscheu erzählt hatten? Die Waschamba glaubten, dass sich die Geister von Bäumen und Tieren, ja selbst Felsen in menschlicher Gestalt zeigen konnten. Ebenso gab es auch Menschen, die sich in Tiere verwandelten. Vor allem ihre Zauberer verstanden sich auf diese Kunst, sie konnten zu den Geistwesen der anderen Welt Verbindung aufnehmen, um sie für die Seele des Verstorbenen günstig zu stimmen. Bei derartigen Ritualen benutzten sie Masken, zumindest hatte man ihr das so erklärt.
    Reglos verharrte sie, bis die unheimliche Prozession an ihr vorübergezogen war, nur hin und wieder rief sie leise den knurrenden Hund zur Ordnung, da sie fürchtete, er könne einen der maskierten Männer angreifen. Diesen Eingeborenen war das Christentum vollkommen fremd, sie lebten in ihrer eigenen, von Medizinmännern geprägten Glaubenswelt, und Charlotte fühlte sich wie ein

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