Sanfter Mond über Usambara
vorzuwerfen. Und weshalb? Weil er sich entgegen der Interessen der raffgierigen weißen Pflanzer für die Rechte der Schwarzen einsetzt. Von Rechenberg ist ein hervorragender Mann, nie hat die Kolonie einen besseren Gouverneur gehabt. Dieser Willy von Roy ist kein Journalist, sondern ein gekaufter Schmierfink. «
Im Grunde stimmte sie ihm zu, auch sie hatte sich über diesen Artikel ziemlich geärgert. Aber etwas hielt sie heute zurück, George recht zu geben. Vielleicht war es die ungewohnte Schärfe, mit der er sich ausdrückte und die sie seiner allgemeinen Unzufriedenheit zurechnete.
» Aber es ist auch nicht in Ordnung, dass der Gouverneur nun überhaupt kein Land mehr an deutsche Einwanderer geben will. Weshalb denn nicht? So viele Menschen im Reich haben keine Arbeit, leben in Not, ihre Familien hungern– warum will er ihnen den Weg in eine bessere Zukunft verstellen? «
George sah nur kurz zu ihr auf, sein Blick war voller Bitterkeit.
» Weil dieses Land den Afrikanern gehört, Charlotte « , erwiderte er mit ungewohnt harter Stimme. » Siehst du nicht, was hier in Usambara geschieht? Wie sie den Wald in großen Parzellen roden, die Wiesen abweiden, die Zedern oben im Gebirge fällen, um Bleistifte daraus zu machen? «
» Meine Güte– die Eingeborenen roden die Wälder doch auch! Das haben sie schon immer getan, du brauchst nur die Nase nach draußen zu stecken, dann kannst du den Brandgeruch riechen. «
» Es wäre unsere Aufgabe, sie zu warnen, aber nicht, in großem Stil mitzutun! Reden wir nicht immer von der Überlegenheit der weißen Rasse? Wenn dem tatsächlich so ist– und in einigen Punkten entspricht diese Behauptung tatsächlich der Wahrheit–, dann sind wir für die Eingeborenen dieses Landes verantwortlich. «
Charlotte stöhnte auf. Der streitbare Geist, der zwischen ihnen gewachsen war, trieb sie beide voran, und keiner von ihnen schien gewillt einzulenken.
» Weshalb tust du immer so, als seien die Afrikaner arme, hilflose Waisenkinder? Weißt du nicht, weshalb die Waschamba auf den steilen Bergkegeln siedeln? Weil sie sich vor den räuberischen Massai schützen müssen. Mord und Totschlag gibt es auch zwischen afrikanischen Stämmen, die einen unterdrücken die anderen, und das weiß Gott nicht mit sanften Mitteln. Hast du mir nicht selbst von den Watussi erzählt, die den Stamm der Wahutu schon vor Jahren unterjocht und diese zu ihren Arbeitssklaven gemacht haben? «
Sie sah, wie sich seine Finger um die Tischkante krallten, und erschrak, weil seine Knöchel dabei weiß, fast bläulich aussahen.
» Ich habe niemals behauptet, dass die Afrikaner bessere Menschen seien als die Europäer « , gab er mit einer Ruhe zurück, hinter der ein Sturm lauerte. » Aber dieses Land ist ihr Land, wir haben kein Recht, uns hier niederzulassen. «
Simba hatte sich erhoben und begann zu bellen. Als sich niemand darum kümmerte, ging er zu Charlotte und legte seine Schnauze auf ihr Knie. Gereizt schob sie ihn zur Seite.
» Dann glaubst du also, ich hätte kein Recht, hier in Usambara eine Plantage zu besitzen? Ist es das? «
» Genau das ist es, Charlotte! «
Wütend stand sie auf und lief hinaus, dicht gefolgt von Simba. Das war stark! Aber natürlich– George Johanssen brauchte seinen Lebensunterhalt nicht mit seiner Hände Arbeit zu verdienen, die Mittel flossen ihm aus seinem Besitz in England zu, ohne dass er jemals etwas dafür hätte tun müssen. Offenbar kam er gar nicht auf den Gedanken, dass sie diese Pflanzung nicht für sich selbst, sondern für ihre Cousine und deren Familie gekauft hatte. Dass dieser Besitz später das Erbe ihrer Tochter sein würde. Ach, all diese Überlegungen konnte er gar nicht nachvollziehen– er stammte aus einer reichen Familie, tat, wozu er Lust hatte, reiste, wohin es ihm passte, und schrieb Bücher, die ihm kaum etwas einbrachten. So einer konnte leicht von einer gerechteren Welt reden! Niemals hatte er die Not und die Ungerechtigkeiten dieser Welt am eigenen Leibe zu spüren bekommen. Afrika gehöre den Afrikanern? Was für ein Unsinn! Hatte Max nicht damals schon gesagt, in diesem Land sei Platz genug für sie alle? Verdammt– er hatte recht gehabt!
Aufgelöst lief Charlotte hinüber zur Weide und schreckte den alten Kerefu aus seinem Mittagsschläfchen auf. Er solle ihr ein Maultier satteln, aber rasch. Als sie aufsaß, hörte sie, dass die Tür des Wohnhauses geöffnet wurde, doch sie wandte sich nicht um.
» Mama! Willst du denn nichts
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