Sanfter Mond über Usambara
Armen und Beinen hatte er Hautabschürfungen. Sie spürte, wie sie von heißem Schrecken erfasst wurde.
» Bwana Siegel nicht unter Felsen. Wir auf andere Seite von Tal, wenn Felsengott wirft mit Stein und Erde. Aber wir hören lautes Gepolter von Donner und Felsen und sehen Pferde. Braune Pferde laufen ganz verzweifelt durch Wasser und Matsch, dort wo Mombo-Bach ist verstopft. Laufen an uns vorbei, arme Tiere. Laufen schnell wie Wind und sind schon davon… «
» Peter und Johannes Kigobo sind von dem Erdrutsch verschont geblieben, Klara « , schloss Charlotte aus seinem Gestammel und fühlte sich unendlich erleichtert.
» Aber wo ist Peter? Wieso ist er nicht mit dir gekommen? Ist er etwa krank? « , fragte Klara den Waschamba angstvoll.
Es krachte noch vereinzelt am Himmel, was die Unterhaltung ein wenig erschwerte, auch schien Johannes Kigobo von dem erlebten Schrecken noch vollkommen durcheinander zu sein und hatte Schwierigkeiten, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden.
» Bwana Siegel ganz voll mit Schlamm. Sitzt auf Fels, der liegt auf Wiese, und hält Hand von andere bwana fest. Andere bwana hat gelegen in Schlamm und Steinen, die gekommen sind von Berg. Wir zuerst nur sehen Hut, dann sehen Mann, aber nur Kopf und Schulter. Bwana Siegel hat Mut von simba, steigt über Schlamm und Fels, sinkt ein bis Gürtel, geht weiter und zieht andere Mann auf Wiese. Johannes Kigobo nicht so viel Mut, nur klein wenig. Hat geholfen, fremden Mann aus Schlamm zerren, und jetzt ist gelaufen zu bibi Johanssen, viele Leute holen und Wagen und Maultiere… «
» Ach du lieber Himmel « , stöhnte Klara, die die Tragweite des Geschehens erst nach einer kleinen Weile begriff. » So ein Erdrutsch kommt doch nicht so schnell zum Stillstand, zumal bei diesem Regen. Vielleicht sind sie alle beide längst unter dem Schlamm erstickt. «
» Wo ist es passiert, Johannes Kigobo? « , wollte Charlotte wissen. » Du musst uns hinführen. Schammi! Ruf ein paar Leute zusammen, Kerefu soll die Maultiere satteln, den Wagen anspannen… «
» Vielleicht besser warten, bis Regen und Donner vorbei… « , gab Schammi zu bedenken.
» Zum Teufel mit dem Regen! Tut, was ich gesagt habe! «
Es war derselbe Berg, an dem auch Charlotte verunglückt war, allerdings weiter nördlich an einer Stelle, wo nur vereinzelte Baumgruppen am Hang standen und schon mehrfach Felsstürze beobachtet worden waren.
Trotz ihres lahmen Beins hielt es Klara nicht im Haus. S chammi musste sie auf den Wagen heben, und sie wäre auch zu Fuß gelaufen, wenn sie ihrem Mann damit hätte helfen können. Charlotte hatte eine grobe Jacke über ihr Kleid gezogen und sich einen Tropenhelm auf den Kopf gestülpt, den sie mit einem Tuch festband. Dazu trug sie Stiefel von Peter Siegel, doch bei dem unablässig von Himmel herabströmenden Regen nützte ihr das nicht viel: Der ganze Rettungstrupp war bald bis auf die Knochen durchweicht. Die Schwarzen schimpften über die störrischen Maultiere, die sich weder durch energische Fersentritte noch durch Simbas Gekläffe zu einer schnelleren Gangart antreiben ließen.
» Böser Berg « , murmelte Johannes Kigobo, der sich dicht neben Charlotte hielt. » Schlimmer Berg, bibi Johanssen. Dort wohnen Geister von tote Waschamba. Wilde Waschamba, die nicht Jesus Christus folgen, wie wir es tun. Sie haben dort geheimen Ort mit Felsen und Hölzern und Stricken– niemand weiß genau. Dort sie auch ihre Toten hinbringen, damit sie gehen zu den Geistern ihrer Ahnen. Dafür sie tanzen und beten und machen ngoma, magische Zeremonie. Aber Berg böse, weil Geister ihm lassen keine Ruhe. Deshalb er wirft mit Stein und Erde, reißt Mann und Frau und Tier hinunter ins Tal, und viele müssen sterben. «
Die Erklärung erschien Charlotte etwas verworren, zumal sie wegen des raschen Rittes und des Regens nicht jedes Wort verstehen konnte. Nach ihrem Unfall hatte sie Johannes Kigobo vorsichtig nach dem Waschamba-Heiligtum ausgefragt, doch er hatte sich damals herausgeredet, er wisse nichts davon. Nun aber hatte der Schrecken seine Zunge gelöst.
Auf dem Hügel, Regen und Wind ungeschützt ausgesetzt, hielten sie an und suchten mit Blicken den Talgrund ab. Felsen und Geröll türmten sich dort unten, in roten Schlamm gebettet, dazwischen ragten zerborstene Stämme großer Zedern und Fichten empor, abgeknickte Äste, zerrissene Baumkronen. Der Berg, von dem sich die Lawine gelöst hatte, schien, abgesehen von ein paar spitzen Felszacken, harmlos
Weitere Kostenlose Bücher