Sanfter Mond über Usambara
schlug Peter Siegel vor, und Jeremy knöpfte sogleich seine Jacke auf, streifte sich auch das Hemd ab und krempelte die Hosenbeine hoch, dann stieg er in den Bach hinein. Langsam trat er zu dem Steinblock, bückte sich und fasste ihn an beiden Schmalseiten, dann wartete er einen Moment, als wolle er die Spannung noch steigern, und hob ihn schließlich mit aller Kraft hoch. Charlotte sah, wie seine Muskeln anschwollen und die Sehnen hervortraten. Plötzlich bemerkte sie, dass Peter sie irritiert anblickte, und machte schnell einen kleinen Scherz.
» Wenn Sie alle Steine so transportieren wollen, werden Sie noch Rückenschmerzen bekommen, Jeremy! « , rief sie und zwang sich zu einem bemühten Lachen.
Jeremy legte den Stein sorgfältig auf dem trockenen Grasboden ab, reckte sich und lächelte sie an. Sein Lächeln war herausfordernd, frech. Sie spürte, wie sie rot wurde, und wendete sich hastig ab. Der Engländer zog sich in aller Ruhe wieder an und beratschlagte anschließend mit dem Missionar, welche Worte in den Grundstein eingemeißelt werden sollten.
Auf dem Rückweg war Peter Siegel der Einzige, der redete, sowohl Jeremy als auch Charlotte ritten schweigsam voran, richteten ihre Aufmerksamkeit auf die Umgebung und vermieden es, einander in die Augen zu blicken. Erst als schon die Kaffeepflanzungen und Weiden von Neu-Kronau zu sehen waren, drehte sich Jeremy zu ihr um. In seinen Zügen lag Zerknirschung.
» Bereuen Sie es, Charlotte? «
Für einen kleinen Augenblick war sie sich unsicher, was er meinte, dann wurde ihr bewusst, dass er von dem Bau der Kapelle sprach, zu dem sie ihre Genehmigung gegeben hatte.
» Nein « , erwiderte sie knapp, doch das schien ihm zu genügen.
Soll er doch seine Kapelle bauen, wenn er der Nachwelt unbedingt etwas hinterlassen muss, dachte sie trotzig. Was kümmert es mich? Übermorgen fahre ich nach Daressalam, und er hat versprochen, sich vorerst um die Plantage zu kümmern.
Sie dachte daran, dass sie George bald wiedersehen würde, und ihr Herz war voller Sehnsucht.
Teil IV
Juli 1909
Jim machte einen Bogen um den schlafenden Simba und stellte das Tablett vorsichtig auf das Tischlein neben bibi Johanssen. Charlotte verbrachte die meiste Zeit im Garten des Hauses, wo der Wind den Duft der Orangenblüten verwehte und das Wasser des rechteckigen Teiches kräuselte. Nur Simbas wegen ging sie mehrmals am Tag hinunter zum Meer, dort stand sie eine Weile, lehnte den Rücken gegen den Stamm einer Palme und spürte, wie der Südostwind in den Palmwedeln rauschte und an ihrer Kleidung zerrte. Kleine, flauschige Wölkchen trieben eilig über den tiefblauen Himmel, huschten an der gleißenden Sonnenkugel vorüber und glitten als graue Schattenherde über den hellen Sand. Simba rannte achtlos darüber hinweg, wenn Charlotte ein Stück Holz ins Wasser warf. Der mächtige rotbraune Hund stürzte sich blindlings in die Wellen, manchmal schwamm er sogar so weit hinaus, dass sie Sorge hatte, die Ebbe könne ihn in die Bucht ziehen. Doch das große Tier kämpfte sich immer wieder an den Strand zurück, rannte auf sie zu und schüttelte energisch das Salzwasser aus dem langen Fell. Das Holz, das er zurückgebracht hatte, behielt er jedoch für sich.
Hier im Garten war der Wind erträglich. Sie hatte sich Tisch und Stühle unter dem Vordach aufstellen lassen, beschwerte die Manuskripte, an denen sie arbeitete, mit Steinen und ließ sich schwarzen Kaffee mit Kardamom gewürzt nach draußen bringen. Die Möbel, die Kamal Singh ihr hinterlassen hatte, standen immer noch im Depot– sie würde später gemeinsam mit George entscheiden, ob sie die Sachen haben wollten oder nicht.
George hatte fleißig geschrieben. Bei ihrer Rückkehr hatte sie mehrere Manuskriptstapel vorgefunden, und nun brütete sie Tag und Nacht über den Seiten, um alle seine Texte gründlich Korrektur zu lesen. Immer wieder stieß sie auf seine Vermerke: Photographie Nr.… einfügen, und sie wusste, dass es sich um ihre Bilder handelte. George, der sie so eifrig dazu gedrängt hatte, eine Kamera anzuschaffen, photographierte nur selten selbst.
» Ich will die Dinge mit meinen eigenen Augen betrachten, mein Schatz. Und nicht durch das schwarze Auge des Objektivs « , hatte er immer wieder betont.
Lächelnd nahm sie die gefüllte Tasse aus Jims Hand, legte den Stift für einen Augenblick zur Seite und lehnte sich im Stuhl zurück. George musste viele Stunden in der Dunkelkammer zugebracht haben– die Wände im Wohnzimmer
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