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Sanfter Mond über Usambara

Sanfter Mond über Usambara

Titel: Sanfter Mond über Usambara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Bach
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mit Messingketten behängt, einige trugen kleine Kinder auf dem Arm. Eine der Frauen weinte, die anderen jedoch lachten und schwatzten unbefangen miteinander. Charlotte drängte sich zwischen ihnen hindurch in den kleinen Eingangsraum hinein, in dem es so intensiv nach Schweiß und anderen Ausdünstungen roch, dass sich ihr vor Ekel der Magen hob. Für einen Moment fürchtete sie, sich übergeben zu müssen oder ohnmächtig zu werden, und musste sich mit dem Arm an der Wand abstützen. Weshalb regte sie sich bloß so auf? Wahrscheinlich war alles ganz harmlos, George hatte einfach eine Nachricht an seine Kollegen geschickt mit der Bitte, diese an sie weiterzuleiten…
    » Frau Johanssen? «
    Zwischen den vorüberziehenden Besuchern war die weiß gekleidete Gestalt einer Krankenschwester aufgetaucht. Sie kannte die Stimme, sie gehörte jener Frau, die sie in diesem Augenblick am allerwenigsten treffen wollte, doch Shira, die eifrige Mitarbeiterin ihres Mannes, stand dicht vor ihr und musterte sie mit dunklen, mitleidslosen Augen.
    » Ich möchte zu Dr. Kalil. «
    Wortlos ging Shira ihr voran durch den Flur, in dem mehrere Kranke und Besucher ihr Lager aufgeschlagen hatten, und Charlotte blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen. Ihre Hände waren kalt und feucht, Schweiß stand auf ihrer Stirn, und ihre Knie zitterten so heftig, dass sie fast über ein Kleiderbündel gefallen wäre, das jemand neben seiner Lagerstätte aufgeschichtet hatte.
    Vor einer Tür blieb Shira stehen und legte die Hand auf den Türknauf, doch als Charlotte schon glaubte, die junge Inderin wolle sie in den Raum einlassen, drehte sie sich mit einer entschlossenen Bewegung zu ihr um. Ihr schmales Gesicht wirkte angespannt und noch kantiger, als sie mit zusammengebissenen Zähnen zischte: » Sie haben ihn nie verstanden. Alles Unglück kommt allein durch Sie. «
    Charlotte war über diesen unerwarteten Ausbruch so verblüfft, dass sie schwieg. » Dr. Johanssen ist ein wunderbarer Mensch und ein großartiger Arzt « , fuhr Shira mit leiser Stimme fort. » Sie sind es nicht wert, auch nur einen Zipfel seines Gewandes zu berühren. Sie sind eine selbstsüchtige, kalte Person, die seiner Liebe nicht würdig ist… «
    Heißer Zorn stieg in Charlotte auf. » Wo ist Dr. Kalil? « , fuhr sie die Inderin an. » Bringen Sie mich auf der Stelle zu ihm. Er hat mir eine Nachricht geschickt und erwartet mich. «
    Der Blick, mit dem Shira Charlotte bedachte, erinnerte sie an den einer Viper, die ihren Feind ins Visier nimmt. » Sie werden ihn nicht wiedersehen– nie mehr. Und das ist gut so.« Um Shiras Mund zuckte es, sie wandte den Kopf zur Seite und stieß endlich die Tür auf.
    In dem kleinen Aufenthaltsraum des medizinischen Personals herrschte eine fürchterliche Unordnung. Papiere, Teetassen, medizinische Instrumente, angefangene Mahlzeiten und vieles mehr lag auf dem Tisch verstreut, auf einem Stuhl hing ein blauer Seidenschal, unter dem Tisch lagen zwei nicht zueinander passende Ledersandalen. » Warten Sie hier. Dr. Kalil operiert gerade. «
    Die Stimme der jungen Inderin klang jetzt bemüht gleichgültig. Mit unbewegter Miene wartete sie, bis Charlotte an ihr vorbei in den Raum hineingegangen war, dann schloss sie fest die Tür.
    Mit fahrigen Fingern löste Charlotte den Knoten des Tuchs, das sie um ihren Hut gebunden hatte. Der Hut fiel zu Boden und rollte unter den Tisch, doch sie machte keine Anstalten, ihn aufzuheben. Die Angst hatte sie gepackt, stärker noch als zuvor, kalt, dunkel und abgrundtief.
    Sie hätte nicht sagen können, wie lange Dr. Kalil sie warten ließ, es kam ihr vor wie eine Ewigkeit, doch möglicherweise waren in Wirklichkeit nur ein paar Minuten verstrichen. Der Arzt wirkte erschöpft wie immer– hatte sie ihn jemals frisch und ausgeruht gesehen? Zerstreut entschuldigte er sich für die Unordnung, nahm den blauen Schal und rollte ihn zusammen, damit sie sich setzen konnte, wenngleich sie keinen Wert auf einen Stuhl legte. » Gestern kehrten die beiden Arzthelfer aus dem Uluguru-Gebirge zurück « , begann er schließlich hilflos. » Ich konnte erst heute um die Mittagszeit mit ihnen sprechen, Sie wissen ja… «
    Eine farbige Krankenschwester trat ein, nahm ein Blatt Papier vom Tisch und entfernte sich wieder. Dr. Kalil wollte fortfahren, doch Charlotte kam ihm zuvor. » Was ist mit meinem Mann? «
    » Meine liebe Frau Johanssen… Ich weiß, dass Sie eine vernünftige Frau sind und nicht hysterisch reagieren werden…

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