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Sanfter Mond über Usambara

Sanfter Mond über Usambara

Titel: Sanfter Mond über Usambara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Bach
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prallte gegen ihre Knie und fiel in den Staub. Die Frau rührte sich nicht, sondern betrachtete voller Entsetzen den Gegenstand, den man gegen sie geschleudert hatte. Charlotte stieg von ihrem Maultier und nahm den blechernen Henkelbecher zur Hand, den sie benutzte, wenn sie an einem Bachlauf anhielten. Sie näherte sich der Frau mit langsamen Schritten, hob die Kalebasse vom Boden auf und goss Wasser in den Becher.
    » Trink. «
    Die Frau verstand. Sie streckte den Arm aus und nahm den halb gefüllten Becher aus Charlottes Hand. Sie musste sehr durstig sein, dort oben im Dorf gab es ganz sicher keine Quelle, die Bewohner hatten das Wasser unten am Bachlauf holen müssen.
    Charlotte sah zu, wie die schwarze Frau das Wasser in langsamen Schlucken durch die Kehle rinnen ließ. Ob sie krank war? Ihr Schädel war glatt geschoren, die Ohrläppchen, die die Schwarzen so gern durchlöcherten und mit bunten Gegenständen schmückten, waren aufgerissen und hingen in Fetzen bis auf ihre Schultern herab. » Sie hat bestimmt Hunger « , meinte Jeremy. » He– schafft etwas von dem kalten Fleisch von gestern Abend herbei. «
    Widerwillig folgten die beiden Waluguru-Männer seinen Anweisungen, zerrten missmutig ein wenig von dem gebratenen Fleisch aus ihren Vorratstaschen, legten es auf ein Tuch, krümelten getrockneten Maisbrei darüber, und als Jeremy immer noch nicht zufrieden war, fügten sie zähneknirschend eine gebackene Banane bei. Die gekochten Eier aber wollten sie auf keinen Fall hergeben. Die alte Frau hatte den Becher geleert und besah nun neugierig, was die beiden Männer vor ihr aufbauten.
    Doch obgleich man versuchte, ihr deutlich zu machen, sie solle davon essen, nahm sie keinen einzigen Bissen zu sich, ja, sie machte nicht einmal Anstalten, nach den Speisen zu greifen.
    » Wenn sie tatsächlich allein hier zurückgelassen wurde, dann müsste sie doch halb verhungert sein « , überlegte Charlotte.
    Jeremy zuckte ratlos mit den Schultern. » Versuchen wir, ihr ein paar Fragen zu stellen « , schlug er dann vor.
    Die Verständigung war schwieriger als gedacht, weil die Waluguru-Männer einen völlig anderen Dialekt redeten und Mühe hatten, sich der alten Frau verständlich zu machen. Zuerst gab sie überhaupt keine Antwort, sondern starrte nur mit ihren riesigen, angstgeweiteten Augen auf Charlotte– vermutlich war sie die erste weiße Frau, die sie je zu sehen bekommen hatte. Als einer der beiden Träger schließlich dazu überging, mit dem Knie gegen ihre Schulter zu stoßen, machte sie endlich den Mund auf. Ihre Stimme war sehr hoch und ein wenig heiser, klang fast wie die eines aufgebrachten Kindes.
    Ja, den daktari habe sie gesehen. Er sei groß und dünn und habe helles Haar und einen Bart.
    » Wo ist er jetzt? « , drängte Charlotte, doch die Frau plapperte schon weiter.
    Man übersetzte Charlotte, dass sie keine Hütte habe, seitdem ihre beiden Söhne gestorben seien und ihr Mann sie verstoßen habe. Sie lebe am Rand des Dorfes und dürfe nur in der Regenzeit manchmal in einer Hütte Unterschlupf suchen. Sie müsse mit dem vorliebnehmen, was man ihr gebe, wenn das Essen knapp werde, dann lebe sie von Ameisen und Gras, und auch am Bach dürfe sie nicht dort trinken, wo die Frauen das Wasser holten…
    » Fragt, ob sie gesehen hat, was aus dem weißen daktari wurde. «
    Jetzt endlich schien sie verstanden zu haben. Sie hörte auf, sich während des Redens vor und zurück zu wiegen, und starrte Charlotte mit einem seltsam erschrockenen Ausdruck an.
    Der daktari sei fort. Auf seinem Maultier davongeritten. Sie streckte den dürren Arm aus und wies nach Südwesten. Dorthin.
    » Dorthin? Wohl eher nach Norden, oder etwa nicht? «
    Die Alte drehte jetzt den Kopf hin und her, während sie redete, und manchmal sah man ihre Zähne, die sehr lückenhaft und ungewöhnlich groß waren. Die Waluguru wetteiferten beim Übersetzen, denn nun sprudelten die Worte nur so aus ihr heraus. Nein, in die Savanne sei er geritten. Der daktari sei ein Medizinmann. Ein großer Magier. Er habe viel Kraft und könne auf den Wolken laufen. Blitz und Donner gehorchten ihm. Der Sturm habe ihn hinüber in die Savanne getragen, dort gehe er mit den Büffeln und Gnus, die jetzt immer weiter nach Westen zögen, dem Wasser hinterher, den fetten Weiden…
    » Am Ende haben sie sie hiergelassen, weil sie nicht ganz dicht im Oberstübchen ist « , bemerkte Jeremy, dem die Antworten überhaupt nicht gefielen. » Falls die Eingeborenen Ihrem

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