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Sanfter Mond über Usambara

Sanfter Mond über Usambara

Titel: Sanfter Mond über Usambara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Bach
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Mann tatsächlich ein Maultier gegeben haben, dann ist er ganz sicher nach Norden geritten, um die Bahnstation Morogoro zu erreichen. «
    Er ordnete an, dass man der Alten noch einmal zu trinken geben sollte, und zog Charlotte beiseite, um in Ruhe mit ihr sprechen zu können.
    » Weshalb sollte sie uns anlügen, Jeremy? « , gab diese zu bedenken. » Vielleicht fürchtete George den schmalen Bergpfad und wollte lieber durch die Savanne reiten? «
    » Allein? Ohne Lebensmittel? Ohne Waffe? Oder glauben Sie, man hat ihm sein Gewehr gelassen? «
    » Vielleicht wollte er durch die Savanne nach Kilossa gelangen. Dort ist inzwischen auch eine Bahnstation. Oder aber nach Iringa… «
    Zum ersten Mal, seit sie unterwegs waren, wurde er ungehalten.
    » Kilossa! Das ist mehr als doppelt so weit wie nach Morogoro! Kein Mensch, der bei klarem Verstand ist, würde versuchen, dorthin zu gelangen. Und schon gar nicht nach Iringa! Das sind noch einmal gut zweihundert Kilometer durch Savannen und Regenwälder. «
    » Aber… wenn er tatsächlich die Pocken hatte, dann ist er ganz sicher nicht zu einer Bahnstation geritten, Jeremy. Er hätte doch niemanden anstecken wollen… « Jeremy starrte sie durchdringend an, und sie begriff, dass sie vollkommenen Unsinn redete. Wenn George die Pocken gehabt hätte, dann wäre er nicht weit gekommen, auch nicht bis Morogoro.
    » Hören Sie, Charlotte « , sagte der Engländer sanft. » Wir werden folgendermaßen vorgehen… «
    Ein zorniger Ruf unterbrach ihn, ein zweiter folgte, dann ertönte Johannes Kigobos helles, ein wenig schadenfrohes Gelächter.
    » Altes Weib ist flink wie Erdmännchen… Schnell wie Salamander… «
    Die alte Frau hatte einen Moment abgewartet, in dem niemand auf sie achtete, und sich dann mit einigen flinken Sprüngen in Sicherheit gebracht. Trotz ihrer Ausgezehrtheit schien sie über außergewöhnliche Körperkräfte und sehr viel Geschicklichkeit zu verfügen. Eine Weile suchten die Schwarzen nach ihr, schauten in alle Hütten und sahen hinter die kärglichen Büsche, doch die Alte blieb verschwunden.
    » Vielleicht sie ist doch mpepo « , überlegte Jonas Sabuni sorgenvoll. » Aber wir nicht wissen, ob gute oder schlimme mpepo. Zum Glück ist Jesus große bwana und herrscht über alle Zauberer. «
    » Es ist überflüssig, nach mir zu suchen « , sagte George lächelnd und rückte seine goldgerandete Brille zurecht. » Ich bin doch bei dir, Charlotte. «
    » Das bist du nicht. «
    Er saß ein wenig unbequem auf dem steifen, geschnitzten Schreibtischsessel aus dunklem Holz. Das Möbelstück gehörte ins Arbeitszimmer von Pastor Henrich Dirksen, ihrem Großvater, aber sie hatten es hinunter in die Wohnstube getragen, weil die Familie zu Besuch kam und die Stühle nicht ausreichten.
    » Ich bin immer bei dir, mein Schatz. Seitdem du fünfzehn bist, ist es so gewesen, und ich weiß, dass es niemals enden wird. Wir können einander gar nicht verlieren, Charlotte. «
    Er hatte die Beine übereinandergeschlagen und neigte sich jetzt zur Seite, um ein Buch zur Hand zu nehmen, das auf dem geschlossenen Deckel der Klaviertastatur lag. Neben dem Klavier befand sich ein Wandschirm, der mit dunkelroter Seide bespannt war, darauf sah man die zarten Silhouetten zweier Kraniche mit silbernen Krönchen auf den Köpfen.
    » Aber… aber ich vermisse dich, George « , hörte sie sich schluchzen. » Du liegst nicht bei mir in der Nacht, ich spüre deinen Körper nicht, ich höre dich nicht, ich kann dich nicht sehen… «
    » Du musst Geduld haben, Emily. Was sind schon ein paar Wochen? «
    Das war die Stimme ihres Vaters. Wie seltsam, dass sie sich nach so vielen Jahren an den Tonfall erinnerte, und auch dieser Satz war ihr im Gedächtnis geblieben. Er war nicht an sie gerichtet gewesen, sondern an ihre Mutter, die in der Nacht geweint hatte, weil Kapitän Dirksen wieder auf große Fahrt ging. Nun hörte sie auch das Meer rauschen, wild und bedrohlich schlugen die Wellen gegen den hölzernen Bug des Seglers, zerteilten sich schäumend und sprühten als weißliche Gischt über das Deck. Das Schiff tauchte vor ihren Augen auf, der schöne, stolze Segler, den sie als Kind so oft vor Augen gehabt hatte. Auf diesem Schiff fuhren ihre Eltern und der kleine Jonny bis in alle Ewigkeit über das blaue Meer…
    Ein lautes Knattern riss sie aus dem Schlaf, und sie begriff, dass sich eine kräftige Bö in der Zeltplane verfangen hatte. Schon seit dem gestrigen Abend strich der Wind heulend und

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