Sanfter Mond über Usambara
die ganz in ihrer Nähe herumschlichen, die Schnauzen vorgestreckt, die Rücken gewölbt, als wollten sie zum Sprung ansetzen. Stets waren sie zu zweit oder zu dritt, ihre gierigen rötlichen Augen blitzten. Charlotte nahm das Gewehr vom Rücken, entsicherte die Waffe und gab einen Schuss in die Luft ab. Vielstimmiges Geheul war die Antwort, die Raubtiere stoben davon, und sie hörte ihr melodisches Gelächter, das so unfassbar menschlich klang und gerade deshalb etwas Unheimliches an sich hatte.
» Komm jetzt, Simba. Zurück zum Zelt. «
Der Hund umstrich sie knurrend, schien sie in eine bestimmte Richtung schieben zu wollen, und da sie selbst unsicher war, wo sich das Zelt befand, gab sie seinem Drängen nach. Jeremy und die beiden Waschamba konnten nicht weit sein, bestimmt hatten sie ihren Schuss gehört. Gerade als sie den Hund schelten wollte, der ihr beständig vor die Füße lief, sah sie, dass die Hyänen zurückkehrten. Der Schuss hatte sie nur kurz abgeschreckt, jetzt tauchten sie gleich aus mehreren Richtungen auf, näherten sich zu dritt oder gar zu viert, angriffslustig, zum Sprung bereit.
Aber Hyänen waren doch Aasfresser! Sie griffen niemals andere Tiere an und Menschen schon gar nicht… Oder gab es hier in der Savanne andere Arten?
Sie wollte das Gewehr nachladen, aber die Patronen, die die Diebe verloren hatten, gehörten nicht zu ihrer Büchse, sie passten nur in Jeremys Jagdgewehr. Hastig durchsuchte sie ihre Jackentaschen– wieso legte sie eigentlich niemals den Patronengürtel an? Ach, sie hatte sich auf ihre männlichen Beschützer verlassen, und jetzt, da sie Schutz benötigte, war niemand zur Stelle.
Außer Simba. Als die Leithyäne den ersten Angriff wagte, stellte er sich mutig dem ungleichen Kampf. Um sein Frauchen zu schützen, nahm er es mit einer ganzen Horde hungriger, zu allem bereiter Raubtiere auf, während Charlotte nicht mehr tun konnte, als mit dem Gewehrkolben um sich zu schlagen. Simba stürzte vor und schnappte zu, dann wich er zurück, um sich dem nächsten Angreifer zu widmen. Er trotzte den heranstürmenden Bestien, fing deren wütende Bisse mit seinem Körper ab und biss zurück, so gut er es vermochte. Helles Blut lief aus seinem Maul, färbte das Fell an seinen Ohren, sickerte von den Bisswunden an seinem Hals hinab ins Brustfell und färbte den Sand tiefrot. Lange könnte er dem Angriff der Meute nicht mehr standhalten, dachte Charlotte, sein drohendes Bellen wurde schon schwächer, und sie hörte, wie er anfing zu röcheln. Schlagartig wurde ihr klar, dass sie die Beute war, um die diese geifernden Räuber kämpften, frisches Fleisch, wäre der Hund nicht, wäre sie längst verloren. Der Schuss klang aus der Entfernung wie ein Peitschenknall, dann hörte sie Jeremys keuchende Stimme.
» Bleiben Sie stehen. Rühren Sie sich nicht! «
Weitere Schüsse peitschten. Charlotte verharrte reglos auf der Stelle und spürte, wie eine eisige Kälte in ihr emporkroch. Das helle Jaulen einer getroffenen Hyäne drang ihr ans Ohr. Schatten tauchten aus dem rötlichen Dunst der Staubwolken auf, sie hörte Männer brüllen, sah zwei Schwarze mit wütenden Bewegungen Stöcke und Steine nach den Hyänen werfen, dann verschwamm ihr Blick, und ihr wurde schwarz vor Augen. Zwei kräftige Arme umfassten sie.
» Charlotte! Charlotte! «
Sie schwebte. Über sich sah sie den blassblauen Morgenhimmel, an dem die Wolken vorüberjagten, und Jeremys angstvoll aufgerissene Augen, so nah wie nie zuvor. Sie spürte den salzigen Geschmack seiner Lippen. Konnte es sein, dass der Engländer sie küsste, immer wieder seine Lippen auf die ihren presste? Eine alles überdeckende Mattigkeit breitete sich in ihr aus, ihr Schädel pochte so heftig, dass sie meinte, er müsste zerspringen. Dazwischen vernahm sie immer wieder Worte, Sätze, deren Sinn sie nicht verstand.
» …du hast nach Spuren von ihm gesucht, nicht wahr?… Was willst du noch alles tun, um ihn zurückzubekommen?… Welchen Wahnsinn willst du noch begehen… aus Liebe… aus Liebe… «
» Das sein Werk von böser mpepo. «
» Von sheitan i ! «
» Es ist gut, Johannes Kigobo. Sie braucht vor allem Wasser… «
Die runde Trinköffnung einer Feldflasche presste sich gegen ihre Lippen. Sie hustete.
» Nur einen Schluck. Nun kommen Sie schon, Charlotte. Trinken Sie, das bringt Sie wieder auf die Beine… «
» Wo ist Simba? « , krächzte sie. » Ihr müsst den Hund retten… «
Sie trank ein wenig Wasser, dann sank ihr Kopf
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