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Sanfter Mond über Usambara

Sanfter Mond über Usambara

Titel: Sanfter Mond über Usambara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Bach
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erschöpft zur Seite, jemand strich ihr zärtlich das aufgelöste Haar zurück und legte ein feuchtes Taschentuch auf ihre Stirn. Mühsam öffnete sie die Augen und begriff, dass man sie ins Zelt getragen hatte. Jeremys Gesicht neigte sich über sie, sein rötlicher Bartflaum ließ ihn fremd erscheinen.
    » Wir haben die Biester verjagt, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen « , sagte er leise.
    » Aber wo ist er? Er ist verletzt… «
    Jeremy blickte zur Seite. Er nahm das feuchte Tuch von ihrer Stirn und drehte es um, damit es mehr Kühlung brachte, dann beschloss er, ihre Frage wahrheitsgemäß zu beantworten.
    » Er ist verschwunden, Charlotte. Wir haben nach ihm gesucht, aber er war nicht zu finden… «
    Sie wollte aufspringen und begriff erst jetzt, dass sie in seinen Armen lag, den Kopf auf seine Knie gebettet.
    » Sie werden nichts ausrichten, Charlotte « , murmelte er. » Die Hyänen haben ihn mitgenommen… «
    » Lassen Sie mich los! Ich muss nach Simba schauen… «
    Hilfloses Schluchzen schüttelte sie, und sie schlug gequält die Hände vors Gesicht. Simba, ihr treuer Gefährte, ihr mutiger Beschützer– weshalb hatte sie ihm nicht helfen können? Weshalb hatte ihm ein so schreckliches Ende zuteilwerden müssen?
    » Weinen Sie nicht, Charlotte « , hörte sie Jeremy flüstern. » Dieser Bursche starb im Kampf, und er hat so manchen Feind mit über die große Brücke genommen. Er hat Ihnen das Leben gerettet– vielleicht war das seine Bestimmung. «
    Auch wenn ihre Tränen weiterflossen, hatten sie seine Worte auf seltsame Art und Weise beruhigt. Schweigend hielt er sie in seinen Armen, und sie entzog sich ihm nicht. Sie duldete, dass er mit dem Taschentuch über ihr feuchtes Gesicht wischte, ihre Tränen trocknete, und spürte, wie sich ihr Körper entspannte.
    » Heute Abend, spätestens morgen früh werden wir Kilossa erreichen « , flüsterte er. » Dann sehen wir weiter, Charlotte. «
    » Aber wir haben keine Maultiere… «
    » Wir schaffen es auch so! «
    Sie drehte den Kopf und blickte in sein lächelndes Gesicht, das voller Zuversicht und Zärtlichkeit war.
    » Weshalb tun Sie das alles für mich, Jeremy? « , murmelte sie kaum hörbar. » Das bringt Ihnen doch nichts außer einer Menge Scherereien. «
    » Ich liebe Scherereien. Vor allem solche, die Sie mir bereiten… «
    Eine halbe Stunde später hatte sie sich so weit erholt, dass sie den Fußmarsch durch die morgendliche Savanne antreten konnten. Der Wind hatte nur etwas nachgelassen, er fegte immer noch in wütenden Böen über die ausgedörrte Landschaft, düstere Wolken jagten über den Himmel. Charlotte vermied es, nach der Stelle Ausschau zu halten, an der Simba sie verteidigt hatte, die Spuren des ungleichen Kampfes verwehte längst der Wind. Hin und wieder ertönte lautes Donnern, erste Vorboten der kommenden Regenzeit. Doch der große Regen würde erst in einem Monat einsetzen, und die Blitze, die den Horizont erhellten, kündeten nur vom Zorn der afrikanischen Savannengötter.
    Gegen Mittag trafen sie auf Eingeborene, die ihnen erzählten, dass ihr Heimatdorf im Osten läge; dort gebe es viel Wasser und große Mückenschwärme.
    » Das sind die Sümpfe südöstlich von Kilossa « , meinte Jeremy. » Die sollten wir besser meiden, bevor wir uns dort noch Malaria einhandeln. «
    Sie bauten das Zelt unweit des Flusses auf und hielten abwechselnd Wache. Die großen Gnu- und Zebraherden waren zwar schon nach Westen gezogen, doch es gab immer noch hungrige Raubtiere, die sich in der Nacht am Wasser herumtrieben. Charlotte war zu Tode erschöpft, dennoch beharrte sie darauf, genau wie die Männer zur Wache eingeteilt zu werden. Wenn Johannes Kigobo oder Jonas Sabuni das Lager hüteten, kroch Jeremy zu Charlotte ins Zelt und streckte sich neben ihr aus. Sie verwehrte es ihm nicht. Seine schützende Nähe war angenehm, auch gefiel es ihr, leise Worte mit ihm zu wechseln, doch beide achteten streng darauf, einander nicht zu berühren. Wenn er eingeschlafen war, konnte sie seinen Atem vernehmen, manchmal bemerkte sie auch, wie er verhalten mit den Zähnen knirschte. Einmal glaubte sie, sein Herz klopfen zu hören, doch es war wohl eher ihr eigenes, das in dieser Nacht sehr unruhig ging.

Oktober 1909
    Kleine Kumuluswölkchen ballten sich über der Bucht von Daressalam zusammen, ohne die Kraft der späten Septembersonne mildern zu können. Bald schon bräche der Oktober an, in Deutschland wäre Herbst. Das Wasser hatte das tiefe Blau

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