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Sanfter Mond über Usambara

Sanfter Mond über Usambara

Titel: Sanfter Mond über Usambara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Bach
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gewaltige Feuersbrunst verwandelten. Das Flammenmeer brandete über das Grab unter den Bäumen, schwärzte den Stein und löschte den eingemeißelten Namen aus, es wälzte sich über die Wiese, verschlang den Teich, bewegte sich zum Wohnhaus hinüber. Die Akazien standen in Flammen, brannten in feuriger Blüte; rote Glut loderte aus dem weißen Gebäude, das einst der Araber erbaut hatte. Es gab kein Entrinnen, ihre Füße schienen am Boden festgewurzelt zu sein. Hamunas dunkles, trauriges Gesicht tauchte vor ihr auf, sie hörte ihr Rufen und konnte doch nicht zu ihr gehen; Sadalla hockte unter einem gewaltigen, zerklüfteten Baobab, Arme und Beine mit weißen Binden umwickelt. Er hielt eine kleine Puppe auf dem Schoß, ein hölzernes Ding mit blonder Perücke und einem weißen Kleidchen, wiegte es auf seinen bandagierten Knien, und plötzlich schien diese tote Puppe große Ähnlichkeit mit ihrem Kind zu haben. Elisabeth! Wo war sie? Gott im Himmel, sie musste irgendwo dort im Flammenmeer sein… Elisabeth! Lisa!
    » Wach auf, Charlotte. Du hast einen Albtraum. Komm, nimm einen Schluck Wasser… «
    Mit fiebrigen Fingern griff sie nach dem Glas, das George ihr entgegenstreckte, und leerte es gierig in einem Zug. Dann erzählte sie ihm von dem Feuer, das sie gesehen hatte, von der scheußlichen Puppe, und er schlang die Arme um sie.
    » Ich bin jetzt dein Traumwächter, mein Schatz. Sorge dich nicht, ich werde all die bösen Bilder fortjagen… «
    Sie schmiegte sich an ihn, spürte wieder den sachten Schmerz in ihrem Rücken, doch sie fühlte sich geborgen an seiner Brust, atmete seinen Geruch und schlief erleichtert ein.
    Am folgenden Tag hatte der Regen aufgehört, die Sonne ließ das feuchte Laub auf der Wiese im Vorgarten leuchten, und Charlotte fühlte sich wieder gesund und munter. Hektische Betriebsamkeit erfasste sie, sie besprach den Wochenplan mit der Köchin, ließ Stine die Betten frisch beziehen und ging höchstselbst zum Telegraphenamt, um die Anzeige per Telegramm nach Daressalam durchzugeben. Als sie auf dem Rückweg in die Osterstraße einbog, bot sich ihr ein überraschendes Bild. In einiger Entfernung, fast schon in Höhe ihres Hauses, erblickte sie zwei kleine Mädchen, jedes begleitet von einer Hausangestellten. Die blonden Zöpfe ihrer Tochter waren unverkennbar, das andere Kind, das, so erkannte Charlotte jetzt, von dem Hausmädchen des Ratsherrn Böttcher begleitet wurde, trug das rötliche Haar offen, mit einer weißen Schleife aus der Stirn gebunden. Die Kinder gingen eingehakt und waren in ein eifriges Gespräch vertieft, einmal blieben sie stehen, fassten einander bei den Händen und hüpften gleichzeitig über eine Pfütze hinweg.
    Wie schön, dachte Charlotte beglückt. Alles wendet sich zum Guten.
    Die Resonanz auf die Anzeige war erstaunlich. Noch vor einigen Jahren hatten viele den afrikanischen Kolonien misstraut und waren lieber nach Amerika ausgewandert. Jetzt aber gab es trotz der Aufstände zahlreiche Auswanderungswillige, die ihre Zukunft in Deutsch-Südwest oder in Deutsch-Ostafrika sahen. Mitte November fand sich ein Käufer, der ihnen zusagte und auch einen vernünftigen Preis bot. Ignaz Kummer stammte von einem großen Hof bei Lüneburg, den später sein Bruder übernehmen wollte, er selbst hatte schon immer davon geträumt, sich eine eigene Existenz in Afrika aufzubauen. Man handelte aus, dass er sich um Jacob Götz kümmern und ihm, sobald er sich erholt hatte, eine Beschäftigung auf der Plantage anbieten würde. Ende November reiste Ignaz Kummer nach Emden, um dort unter Aufsicht eines Notars den Kaufvertrag zu unterschreiben, blieb zum Mittagessen und hörte sich Charlottes Ratschläge aufmerksam an.
    » Es ist ohne Zweifel ein wunderbares Land, und ich bin stolz darauf, das Werk Ihres verstorbenen Mannes fortführen zu dürfen « , sagte er beim Abschied.
    Vom Fenster aus sah Charlotte ihn die Osterstraße hinuntergehen– ein mittelgroßer, sehniger Mann um die dreißig, der sich in Anzug, Hut und Mantel ganz offensichtlich unwohl fühlte. Die Hand, die er Charlotte zum Abschied gereicht hatte, war breit und fühlte sich hart und schwielig an– er war ein Bauer, er würde den afrikanischen Boden lieben und mit ihm verwachsen.
    Am Nachmittag war Charlotte ausgelassener Stimmung, spielte mit Elisabeth Fangen im Garten und schlitterte lachend über den gefrorenen Gartenweg, wie sie es als Kind immer getan hatte. Früher hatten sie im Winter manchmal sogar auf der Leda

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