Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sanfter Mond über Usambara

Sanfter Mond über Usambara

Titel: Sanfter Mond über Usambara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Bach
Vom Netzwerk:
Schlaf übermannte, suchte er ihre Hand, um sie festzuhalten.
    Etwas muss geschehen, dachte sie. Wir werden einander immer fremder, wenn wir so weitermachen. Warum fürchten wir uns davor, die Wahrheit auszusprechen?
    Die Eisschicht, auf der sie sich so behutsam bewegten, brach auseinander, als Elisabeth zwei Tage nach Silvester wieder in Emden eintraf. Paul, der in der Stadt zu tun hatte, begleitete sie auf der Zugfahrt und schleppte ihren Koffer vom Bahnhof bis in die Osterstraße, weil er das Geld für einen Wagen sparen wollte. Sie aßen gemeinsam zu Mittag, schwatzten allerlei Belanglosigkeiten, und alle waren erleichtert, als Paul sich schließlich verabschiedete, um seine Besorgungen zu machen.
    Elisabeth hatte sich auf die neue Puppe gestürzt, ein Weihnachtsgeschenk von George, das sie nicht nach Leer hatte mitnehmen dürfen. Die Puppe trug den Namen » Fräulein Mine « , sie hatte ein feines Gesicht aus bemaltem Porzellan, und ihre Arme und Beine ließen sich mit Hilfe von Kugelgelenken bewegen. Man konnte dem Fräulein die Kleider ausziehen, es trug richtige Wäsche und eine Spitzenhose, am besten aber gefiel Elisabeth das lange braune Haar, das unbedingt gekämmt werden musste.
    » George? « , wandte sich Elisabeth fragend an ihren Ziehvater, während sie mit dem Kamm an dem Puppenhaar herumrupfte. » Ist es wahr, dass Mama vom lieben Gott bestraft wurde, weil sie dich geheiratet hat? «
    Charlotte wäre beinahe das Herz stehen geblieben. Sie wechselte einen Blick mit George, der die Augen zu schmalen Schlitzen verengte, lauernd, als ahne er eine wohlbekannte Gefahr.
    » Wer behauptet denn so etwas? «
    » Der Großonkel aus Aurich, der der Pfarrer ist und immer so viel redet. Beim Kaffeetrinken hat er das zur Großmutter gesagt. «
    » Großonkel Harm? Der Mann von Tante Edine? «
    » Ja der, glaub ich. Er hat behauptet, der liebe Gott habe meinen kleinen Bruder wieder zu sich genommen, weil… weil… irgendwas von Gottes Müller… oder Mühlen…, weil meine Mama doch Tante Marie den Mann weggenommen hat. «
    Charlotte war nicht in der Lage, eine Antwort zu geben. Pfarrer Harm Kramer war der Vater von Marie und Menna. Vermutlich hatte er sich niemals damit abfinden können, dass die Ehe seiner Tochter Marie geschieden wurde, schließlich hatte er seine Töchter im Geist des Herrn erzogen. Die Scheidung konnte also unmöglich Marie zuzuschreiben sein, es musste Teufelswerk dahinterstecken, eine teuflische Verführerin…
    » Das ist vollkommener Unsinn, Elisabeth « , hörte sie George mit ruhiger Stimme sagen. » Der liebe Gott hat mich und deine Mama füreinander bestimmt und zusammengeführt– so ist das gewesen. «
    Elisabeth fuhr unbeeindruckt fort, Fräulein Mines braune Haarpracht zu bändigen.
    » Die Großmutter hat auch gesagt, das sei dummes Zeug. Sie ist richtig wütend geworden und hat laut geschimpft. Der Großonkel Harm hat kein Wort mehr gesagt, aber Tante Edine ist aufgestanden und hat dabei den Kaffee umgeschüttet. Später ist die Großmutter in ihre Schlafstube gegangen, und Tante Ettje hat mich und Fanny mit nach drüben genommen, weil die Großmutter ihre Ruhe brauchte. «
    » Deine Urgroßmutter ist eine kluge Frau, Elisabeth. Sie hat recht, das alles war nichts als dummes Geschwätz. «
    » Das habe ich mir schon gedacht. Aber wieso muss ich sie immer Großmutter nennen, wo sie doch meine Uroma ist… «
    Elisabeth gab die nutzlose Kämmerei auf und band das widerspenstige Puppenhaar mit einer ihrer eigenen Haarspangen zusammen. Für sie war das Thema damit erledigt.Charlotte gelang es nur mühsam, ihre Aufregung vor dem Kind zu verbergen, und sie war froh, dass George sich den Rest des Tages über mit Elisabeth beschäftigte. Als die Kleine im Bett lag und die Gutenachtzeremonie beendet war, stand Charlotte noch einen Augenblick im dunklen Flur, den Rücken an die Kinderzimmertür gelehnt. Dann ging sie entschlossen hinüber in Georges Arbeitszimmer.
    Er hatte sie schon erwartet. Erst jetzt erkannte sie, wie aufgewühlt er war.
    » Ich weiß sehr wohl, woher diese Verleumdungen stammen, Charlotte. Ich habe es dir nicht sagen wollen, aber Marie hatte immer schon eine scharfe Zunge, ganz besonders was dich betraf… Es ist mehr als boshaft, es ist niederträchtig… «
    » Das ist alles nicht mehr wichtig, George! «
    Er ging auf sie zu, um sie in die Arme zu nehmen, doch sie entzog sich ihm. Schluss mit den Lügen– heute war der Tag der Wahrheit.
    » Ich will fort von hier

Weitere Kostenlose Bücher