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Sanfter Mond über Usambara

Sanfter Mond über Usambara

Titel: Sanfter Mond über Usambara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Bach
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und besonders von einigen ihrer Geschlechtsgenossinnen heftig geschmähte Morgengymnastik absolviert. Der Himmel war zwar bedeckt und die französische Küste nur ein grauer Schemen in weiter Ferne, doch der Reichspostdampfer bewegte sich ruhig auf dem vorgeschriebenen Kurs.
    Charlotte und George hatten der Shuffleboard-Partie eine Weile amüsiert zugesehen, dann waren sie zum Promenadendeck hinübergegangen, das gut besucht war, da sich viele Passagiere an der frischen Seeluft von den gestrigen Strapazen erholten. Ab und an blieben sie stehen, um sich mit einigen flüchtigen Bekannten über das werte Befinden auszutauschen, den schrecklichen Sturm und die so entstandene mögliche Verzögerung im Fahrplan zu beklagen und nicht zuletzt die Tüchtigkeit der deutschen Reichspostdampfer zu loben. Wieder einmal fiel Charlotte auf, wie mühelos George die Sympathien der Mitreisenden– besonders der weiblichen– gewann. War es diese seltsame Kombination aus Leichtigkeit und Ernst, die ihn so anziehend machte? Seine Komplimente an die Damen hatten immer eine heitere Nuance, klangen aber aufrichtig und waren auch so gemeint. In längeren Gesprächen konnte er unglaublich witzig sein, unbeschwert, schlagfertig– und doch lag in seinen Scherzen ein tieferer Sinn, der sein Gegenüber zum Nachdenken herausforderte. Oft wirkte er müde nach solchen Gesprächen; einmal hatte er ihr gestanden, dass ihn all diese Leute unglaublich anstrengten und er froh sei, wenn man ihn in Ruhe ließ. Doch bei nächster Gelegenheit verhielt er sich in gewohnt charmanter Weise. Sie hatte in dieser Nacht viel über ihn nachgedacht und sich gefragt, was sie eigentlich von George Johanssen wusste. Ohne Zweifel war der Mann, den sie liebte, ein Spieler, doch tief in seinem Inneren war er ein Mensch, der an sich und an der Welt litt.
    » Setzen wir uns ein Weilchen. «
    Sie wies auf eine der Bänke, die ein älteres Ehepaar gerade verlassen hatte. Trotz der Decken und wärmenden Getränke, mit denen die Stewards die Passagiere versorgten, hielt man es bei dem kühlen, feuchten Wind nicht lange auf einem Sitzplatz aus.
    » Wenn du willst… «
    Ahnte er, was sie vorhatte? Sorgfältig zog er die Decke über ihre Knie und lehnte sich dann zurück, wobei er den Arm um ihre Schultern legte. Die Geste hatte etwas Zärtliches, sie hatte sie immer genossen, liebte es, seine Wärme zu spüren. Heute schien es ihr, als suche er ihre körperliche Nähe ganz besonders innig, er zog sie sogar ein wenig zu sich hinüber, wobei ihn die Blicke der anderen Passagiere keineswegs störten.
    » Ich möchte dir eine Frage stellen, George. Nicht weil ich dich kritisieren oder mit dir streiten will. Ich wünsche mir einfach Klarheit, das ist alles. «
    Sie spürte, wie sich seine Finger auf ihrer Schulter bewegten.
    » Wozu die lange Einleitung, mein Schatz? Frag einfach, und ich werde antworten. «
    Sie hatte eine ironische Bemerkung gefürchtet und atmete auf, als sie seinen ernsthaften Ton hörte.
    » Möchtest du überhaupt, dass ich dich auf dieser Expedition begleite? «
    Fragend blickte sie ihn von der Seite an, versuchte seine Antwort schon im Voraus in seinem Mienenspiel zu erkennen, doch sie fand nichts als Nachdenklichkeit.
    » Ich wünsche mir sehr, all diese Erlebnisse mit dir zu teilen, Charlotte « , erwiderte er nach einer Weile bedächtig. » Das erregende Gefühl, als erster Europäer den Fuß auf diese Pfade zu setzen, die unendliche Schönheit der Natur zu genießen, ja auch das Abenteuer, das Unerwartete, die Gefahren… «
    Sein Lächeln war begeistert. Er freute sich auf diese Expedition, schien es kaum erwarten zu können, dass die Karawane endlich aufbrach.
    » Aber? « , hakte sie nach.
    » Nun– natürlich habe ich auch Sorge um dich. Eine Expedition ins Innere des afrikanischen Kontinents ist voller Gefahren. Ich weiß, du reist nicht das erste Mal mit einer Karawane, aber bisher warst du noch nie in einer vollkommen unerforschten Gegend. Noch dazu als einzige Frau unter so vielen Männern… «
    Er redete weiter, wobei er unablässig ihre Schulter streichelte, sprach von Eingeborenenstämmen, die ihnen möglicherweise feindlich gesinnt waren, von Gewaltmärschen in unwirtlicher Gegend, von giftigen Insekten, Krankheiten, Todesfällen. Von schrecklichen, vielleicht auch grausigen Erlebnissen, die er ihr lieber ersparen wolle.
    » Ich habe keine Angst davor, George. Meine Angst wäre viel größer, wenn ich irgendwo auf dich warten müsste, ohne

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