Sanfter Mond über Usambara
ihrer Frage nicht verweigert, er hatte sie ausführlich beantwortet, seine Argumente waren vernünftig. Und doch blieb das unschöne Gefühl, dass er lediglich diplomatisch um die Wahrheit herumgeredet hatte. Im Grunde wollte er lieber ohne sie auf Expeditionsreise gehen; es störte ihn keineswegs, dass sie ein ganzes Jahr lang getrennt sein würden.
Während der folgenden drei Wochen mieden sie das Thema, doch Charlotte kam nach und nach zu der Überzeugung, dass sie ihm unrecht tat. Hatte er die Teilnahme an dieser Expedition nicht zuerst abgesagt? Hätte sie ihn nicht so energisch gedrängt– George wäre bei ihr und Elisabeth in Emden geblieben. Nein, er war sehr glücklich an ihrer Seite, er liebte sie und ihre kleine Tochter, sie waren seine Familie, in der er sich geborgen fühlte. Ganz sicher steckte hinter seinem Zögern nur die Sorge, sie könne den Strapazen nicht gewachsen sein; außerdem lag ihm Elisabeths Wohlergehen am Herzen. Trotzdem, so nahm sie sich vor, würde sie eine Lösung finden; ihr Wunsch, ihn zu begleiten, war einfach übermächtig.
Als ahnte er, was in ihr vorging, zeigte sich George von nun an noch aufmerksamer, wich kaum noch von ihrer Seite, und die Bücher, die er zur Vorbereitung der Expedition eingepackt hatte, verschwanden in seinem Reisekoffer. Sie standen eng nebeneinander an der Reling, um aufs Meer zu schauen, gerieten in Begeisterung, als immer wieder neue, bezaubernde Küstenlandschaften in Sicht kamen. In Neapel gingen sie an Land und mieteten einen Wagen, um die Stadt gemeinsam mit Elisabeth zu erkunden, ritten auf Eseln durch die blühende Landschaft zu Füßen des Vesuvs. In Kairo liefen sie zu dritt durch Gassen und Basare, er kaufte ihr fein gearbeitete silberne Ohrgehänge, Elisabeth wünschte sich eine Halskette mit blauen Steinen. Später zeigte er ihr das Haus, in dem er mit Marie und seinen Kindern gelebt hatte, die Dachterrasse, auf der er am Abend gesessen und an seine » liebe, kleine Charlotte « in Leer geschrieben hatte. Sie sprachen von der Zeit, in der sie noch getrennt gewesen waren, und er offenbarte ihr manches, das er bisher verschwiegen hatte. Seine Betroffenheit, als er von ihrer Heirat mit Christian Ohlsen erfuhr, seine Resignation nach seinem Besuch auf der Plantage Max von Rodens am Kilimandscharo, wo sie so glücklich und zufrieden an der Seite ihres Mannes schien. In den Nächten trat er oft leise in die Kabine, in der sie mit Elisabeth schlief, und beugte sich über sie, um sie aus dem Schlaf zu küssen. Seine Kleider rochen nach frischer Seeluft, weil er auf Deck herumgelaufen war, bis er sicher sein konnte, dass die Kleine eingeschlafen war. Dann schlichen sie auf Zehenspitzen wie zwei unartige Kinder hinüber in seine Kabine, schlossen die Tür und liebten einander. Er war in jeder Nacht ein anderer, wusste sie mit ständig neuen Berührungen zu erregen. Mehr als sein Körper jedoch verzauberten sie seine Worte, das leise Murmeln, in dem er süße, schamlose Phantasien in ihr erweckte. Wenn sie dann erschöpft von der Liebe ausruhten, schmiedete er Pläne für ihre Zukunft, erzählte ihr von einem weißen Haus nach Art der Araber, das er für sie in Daressalam bauen wolle, von einem Brunnen und einem rechteckigen Teich im Innenhof des Gebäudes, von kühlenden Lehmwänden, mit Teppichen behängt, einer Dachterrasse, die von hellen Tüchern beschattet wurde. Er würde als Arzt an der Klinik für Einheimische arbeiten und nebenbei Zeit finden, weitere Bücher zu verfassen. Vielleicht habe sie Lust, wieder einen Laden zu führen wie damals in der Inderstraße in Daressalam, er wisse doch, was für eine passionierte Händlerin sie sei. Was er niemals erwähnte, war die Tatsache, dass dieses gemeinsame Leben erst beginnen würde, wenn er von der Expedition zurückgekehrt war, sollte sich tatsächlich keine Lösung finden, die es ihr ermöglichte, mit ihm zu kommen. In den kurzen Stunden dieses intimen Zusammenseins schien es ihr jedoch, als sei dieses Unternehmen nichts als ein Phantom, das angesichts ihrer glücklichen Zukunftspläne verblasste.
Sie passierten die schwarzen Felsen von Aden an der Südspitze des Sinai– kahles Gestein, von gleißendem Licht überflutet, als habe der Vulkan es gerade erst aus dem tiefblauen Meer gehoben. Elisabeth fand den Ort hässlich und war entsetzt, als George scherzhaft vorschlug, ein wenig dort herumzuklettern. Am Abend saßen sie auf dem Promenadendeck und beobachteten, wie der Sonnenball im Meer
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