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Sanfter Mond über Usambara

Sanfter Mond über Usambara

Titel: Sanfter Mond über Usambara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Bach
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verschwand und dabei Himmel und Wellen rotgold färbte. Wie weit entfernt waren doch die endlose graue Morgendämmerung und die tristen Abendstunden ihrer deutschen Heimat! Hier lichtete sich das nächtliche Dunkel innerhalb weniger Minuten zu strahlendem Sonnenschein, und gegen sechs Uhr abends stürzte der Tag mit einem grandiosen Feuerwerk in die stockfinstere Nacht. Dort, wo die Sonne ins Meer sank, lag Ostafrika– ein Gedanke, der in Charlotte einen Freudentaumel auslöste. Nur noch wenige Tage. War sie jemals so reich gewesen? Ihr Kind, ihr Geliebter und ihre afrikanische Heimat. Es war, als hätte ihr das Leben alles gegeben, was sie sich je erhofft hatte.
    Als die Hafenstadt Tanga in Sicht kam, stellte jemand ein Grammophon auf dem Promenadendeck auf. Eine Orchesterfassung der deutschen Kaiserhymne » Heil dir im Siegerkranz « ertönte. Nur wenige Passagiere lauschten den scheppernden Tönen, die fast gänzlich im Stampfen der Maschine untergingen. Die Menschen standen an der Reling und machten sich gegenseitig auf die Sehenswürdigkeiten aufmerksam, lobten den weißen, im maurischen Stil erbauten Leuchtturm von Ulenge, wiesen auf den hellen Bau daneben– eine Erholungsstation für Weiße–, der so malerisch von Kokospalmen beschattet wurde. Es herrschte allgemeines Bedauern darüber, dass die Landschaft in dichten Dunst gehüllt war, der die hübschen Bauwerke und den üppigen Bewuchs der Küste nur erahnen ließ. Doch das liege nun mal an der Regenzeit und lasse sich leider nicht ändern.
    » Spürst du es auch, mein Schatz? « , fragte George, als das Schiff langsam an schroffen Korallenriffen vorbei ins Hafenbecken einlief. » Dieses Land ist voller Magie. Mir scheint, aus diesen fruchtbaren Nebeln stiegen die ersten Wesen, die unsere Welt bevölkerten, und irgendwann, wenn das Ende aller Zeiten eingeläutet ist, wird alles dorthin zurückkehren. Afrika ist die Mutter alles Lebens, die Nahrung, das Lachen, die Liebe, in ihren Gesängen wohnen die Ungeborenen neben den Geistern der Verstorbenen. «
    Sie konnte vor Ergriffenheit nicht sprechen, hatte sie doch tatsächlich ebenso empfunden. Es gab keinen Ort auf der Welt, der eine so ursprüngliche Kraft ausstrahlte wie dieses Land. Wie oberflächlich war doch das Geschwätz der Reisenden, die den Nebel und die Regenzeit beklagten! Dieser Nebel war das Elixier der Fruchtbarkeit, er spendete Feuchte und Kühlung, unter ihm blühte und wucherte es. Ach, sie konnte es kaum erwarten, die dichten Palmenhaine wiederzusehen, die blühenden Akazien, die Mangroven an den Flussufern, die ihr graues Wurzelgespinst ins Wasser eintauchten. Die Afrikaner, die sie niemals ganz und gar verstehen würde und die doch auf ihre Art so klug und fröhlich waren.
    » Gestern in Mombasa hat natürlich niemand daran gedacht, › Rule, Britannia ‹ abzuspielen « , hörte sie Jane Marwin auf Englisch bemängeln. » Man merkt doch sehr, meine Liebe, dass wir uns auf einem deutschen Schiff befinden. Es fehlt an einer gewissen sportlichen Gerechtigkeit, finde ich. «
    » Ach, ich habe gar nicht hingehört… « , erwiderte Charlotte lächelnd. » Eigentlich ist es doch albern– dieses Land gehört weder den Briten noch den Deutschen. Afrika gehört sich selbst, finden Sie nicht? «
    Miss Marwin kräuselte die Stirn, um über diese im Grunde empörende Aussage nachzudenken. Doch wenn sie von einer so sympathischen Person wie Frau Johanssen kam…
    George hatte Elisabeth ein Stück hochgehoben, damit sie besser sehen konnte und nicht etwa auf die Idee kam, auf die Reling zu klettern.
    » Schau, Lisa! Dort hinten, diese bläulich grünen Hügel– das ist das Usambara-Gebirge. «
    Elisabeth reckte den Hals, was jedoch nicht allzu viel helfen wollte. Pflanzen und Gebäude an der Küste waren in zarte Nebel gehüllt, durchsichtige Schleier, die die Sonne jetzt mehr und mehr golden färbte, bis sie schließlich durchbrach, was wunderschön aussah– fast so schön wie auf der Plantage am Kilimandscharo. Doch dort waren die feuchten Nebelgeister hoch in die Berge gestiegen, hatten die Pflanzungen der Dschagga eingehüllt und sich mit dem Dunst vereinigt, der den Regenwald umgab. Und manchmal war der gewaltige Berg vor ihren Augen aufgetaucht, und es hatte ausgesehen, als schwebe er in den Wolken. Auf seinen Gipfeln glänzte der Schnee. Richtiger Schnee, nicht solche klebrigen Flöckchen wie in Emden, die auf der Hand zu Wassertröpfchen zerschmolzen und auf der Erde zu Matsch wurden.
    »

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