Sanfter Mond über Usambara
war Glimmerschiefer, der noch vom Regen feucht war und nun im Sonnenlicht silbrig glänzte. Der Pfad wand sich schlangengleich an schrundigen Felsüberhängen vorbei, führte durch Wiesen und lichten Bewuchs hinauf in die dicht bewaldete Bergregion. Üppige Farne und blühende Gräser bedeckten die Berghänge, dazwischen ragten Palmen empor, Akazien, schlanke afrikanische Laubbäume, die bisher noch niemand genauer benannt und untersucht hatte. Oft waren sie bis in die Kronen von wuchernden Lianen umschlungen, rosige, tulpenartige Blüten und längliche Früchte von grüner und gelblicher Farbe ragten aus dem Blättergewirr. Schmetterlinge flatterten in hellblauen oder dunkelroten Schwärmen von den Blüten auf, wenn sich die Gruppe näherte, ab und an streiften ihre zarten Flügel die erhitzte Haut der Reisenden. Überall war das Geräusch fließenden Wassers zu vernehmen, manchmal nur ein sachtes Rieseln, dann wieder ein kräftiges Rauschen, das anschwoll, bis man hinter der nächsten Wegbiegung einen glitzernden Wasserfall erblickte, der sich in Kaskaden den Hang hinabstürzte.
Hätte Peter Siegel sie nicht ständig zur Eile angetrieben, wäre dieser Ritt durch das regenfeuchte, vor Fruchtbarkeit berstende Gebirge ein großartiges Erlebnis gewesen. Doch Charlotte war nur teilweise in der Lage, die Naturschönheiten zu genießen. Immer wieder musste sie ihr Maultier antreiben, darauf achten, dass es nicht ausglitt oder scheute, und an einigen Stellen, die allzu steil und rutschig waren, half nichts anderes, als abzusteigen und das Tier am Zügel zu führen. Sie war froh, dass George sich um Elisabeths Maultier kümmerte und es in schwierigen Situationen am Halfter nahm.
Mittlerweile waren sie schon gut eineinhalb Stunden im Urwald unterwegs, und noch immer wand sich der Pfad in scharfen Kehren bergauf. Lag Wuga etwa auf einem Berggrat? Wenn sich der Blick für eine kurze Weile öffnete, konnte man an den Hängen die Pflanzungen der Eingeborenen sehen, lindgrüne Bananenhaine, dunkelgrüne Maisfelder, auch grau schillerndes Zuckerrohr. Die Dörfer befanden sich meist auf kleinen Bergkuppen, ein zusammengedrängtes Häuflein schilfgedeckter Hütten, von einem breiten Zaun aus grünem Buschwerk umfriedet, das die Einwohner vor den Angriffen wilder Tiere schützte. Ob sie durchreisende Europäer wohl friedlich empfingen und ihnen ein Nachtlager in einer ihrer Behausungen gewährten?
Der Himmel flammte in hellem Rot, als sie endlich den Bergrücken erklommen hatten. Trotz der Anstrengung fröstelten sie, denn im Schatten des Waldes herrschte feuchte Kühle. Auf dem felsigen Grat bot sich ihnen ein grandioser Anblick. Vor ihnen lag eine weite Talmulde, von kleineren Gebirgszügen und tiefen Schluchten zerrissen, durch die sich ein weißlich schäumender Fluss schlängelte.
» Dort ist die Missionsstation Wuga « , sagte Peter Siegel und streckte den Arm aus.
Auf einer halbkugelförmigen Erhebung waren Gebäude zu erkennen, vom Schein der untergehenden Sonne in loderndes Orange getaucht. Eine Kirche schien nicht zur Mission zu gehören. » Bis dahin ist es noch eine gute Stunde Fußmarsch « , schätzte George. » Wir sollten besser in einem der Dörfer um ein Nachtlager bitten. «
» Es sind Heiden, die uns nicht bei sich dulden werden « , gab Klaras Mann zu bedenken.
» Das käme auf einen Versuch an « , widersprach George.
» Unnötig, so kurz vor dem Ziel. Gott wird uns leiten. «
George war nicht der Einzige, dem Peter Siegels Absicht missfiel, auch die drei Träger, die er in Mombo angeheuert hatte, weigerten sich zunächst, den Weg bei Dunkelheit fortzusetzen.
» Wald ist voller Geister in der Nacht. Mpepo wohnt in Fels und schläft in Baum, kommt daraus hervor, wenn es dunkel ist. Auch Dämonen von Tieren haben Macht, wenn Sonne am Himmel zu Asche verbrannt… «
» Jesus Christus, der Herr über alle Geister und Dämonen, ist mit uns. Unter seinem Schutz kann uns niemand etwas anhaben, nicht einmal eine böse Zauberin. Gehen wir also voran im Namen des Herrn! « , rief der Missionar pathetisch. Die von ihm mitgebrachten Träger, die bekehrte Christen waren, setzten sich in Bewegung, und die von George gemieteten Schwarzen schlossen sich ihnen an, nachdem sie einige trockene Äste als Fackeln angezündet hatten. Peter Siegel reichte George eine von zwei mitgebrachten Blendlaternen. Der Abstieg ins Tal begann.Elisabeth hielt sich großartig auf ihrem Maultier. Die Siebenjährige behauptete, kein
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