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Sanfter Mond über Usambara

Sanfter Mond über Usambara

Titel: Sanfter Mond über Usambara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Bach
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bisschen müde zu sein, und wies Georges Vorschlag, sich hinter sie zu setzen, damit sie in seinen Armen ein wenig schlafen könne, empört von sich.
    » Setz dich doch zu Mama, die mag bestimmt bei dir schlafen. «
    Charlotte war der Urwald nicht fremd. Auch am Kilimandscharo gab es dichte Wälder, die sie oft durchritten hatte, niemals jedoch bei Nacht. Alles um sie herum schien sich verändert zu haben, das Geschrei der kleinen Affen in den Zweigen war verstummt, die Vogelrufe schwiegen, nur das Rieseln und Rauschen der unsichtbaren Wasserläufe begleitete ihren Weg. Nachtblühende Pflanzen öffneten ihre Kelche und sandten süße und fahle Düfte aus, dem Boden entstieg ein seltsam erdiger, modriger Dunst. War es tagsüber schon dämmrig unter dem hohen Dach der Urwaldriesen gewesen, so herrschte nun bald vollkommene Finsternis. Der gelbliche Schein der Fackeln ließ seltsam zitternde Gestalten aus der Dunkelheit erstehen, dünne Stämme reckten sich wie ausgezehrte Arme, graue Blätter bekamen verzerrte Menschengesichter, herabhängendes Geäst bewegte sich so sacht, dass Charlotte zuerst glaubte, eine Baumschlange ließe sich zu ihnen herunter. Der nächtliche Wald schlief nicht, im Gegenteil: Er war voller Leben. Nachtvögel strichen wie Schatten an ihnen vorüber, Boten aus dem kuzimi, dem Reich der Geister, in das nach dem Glauben der Schwarzen die Gestorbenen eingingen; dämonisch funkelnde Augen starrten die Fremden aus der Finsternis an.
    Die Träger, die an der Spitze der Gruppe gingen, um mit Stöcken und Buschmessern den Pfad freizuschlagen, begannen, in ihrer jeweiligen Sprache leise vor sich hin zu plappern. Hin und wieder benutzten sie ein Wort, das es auch auf Suaheli gab, und Charlotte begriff nach einiger Zeit, dass sie auswendig gelernte Bibelworte aufsagten. Peter Siegel blieb stumm, er hatte sich eines der Buschmesser genommen und schlug damit wütend auf das Gestrüpp ein. Trotz seines kränklichen Aussehens hatte er sich als ausdauernder Wanderer erwiesen, es schien mehr Kraft in ihm zu stecken, als es den Anschein hatte.
    Waren sie überhaupt noch auf dem Pfad, oder schlugen sie sich inzwischen ihren eigenen Weg quer durch den Urwald? Sie hatten jetzt die Talsohle erreicht, irgendwo in der Nähe hörten sie das Rauschen von Wasser, es musste der Fluss sein, den sie vom Berggrat aus gesehen hatten. Vor ihnen war nichts als Blattwerk, durchzogen von Lianen, immer dichter standen die Bäume, an manchen Stellen mussten sie Umwege machen, um die Maultiere mitnehmen zu können.
    » Ich glaube, wir sind schon an Wuga vorbei « , rief George dem Missionar zu. » Meiner Meinung nach müssen wir uns links halten, Richtung Fluss. Der Hügel liegt dicht an… «
    Er konnte den Satz nicht beenden, weil Charlottes Maultier in diesem Augenblick so heftig stieg, dass sie sich nur mit viel Mühe auf seinem Rücken halten konnte.
    » Mama! « , schrie Elisabeth angstvoll.
    Das Tier tat wilde Sprünge und wäre beinahe den Pfad zurückgelaufen, hätte George nicht rasch das Halfter gefasst. Es kostete ihn alle Kraft, das Maultier zu halten, doch dann kamen ihm zwei der schwarzen Träger zu Hilfe, und Charlotte konnte absteigen. Es stellte sich heraus, dass das Tier eine blutende Wunde am rechten Vorderbein davongetragen hatte, woher sie stammte, konnte niemand genau sagen.
    » Wozu musstest du diese Viecher auch unbedingt mitschleppen! « , schimpfte Peter. » Du siehst doch, dass sie uns nur aufhalten! «
    George schwieg verbissen und bemühte sich, die Wunde zu verbinden, während der besorgte Besitzer des Maultiers, einer der drei Männer aus Mombo, besorgt das Halfter hielt. Es sah nach einem Biss aus. Hatten die eifrigen Stockschläger eine Schlange aufgeschreckt, die sich bedroht gefühlt und zugebissen hatte? Doch dazu war die Wunde eigentlich zu groß.
    » Steig bei Elisabeth auf « , riet George Charlotte schließlich. » Wir binden das verletzte Maultier mit einem Seil an dem anderen fest, so wird es schon mitlaufen. Hier, nimm das. «
    Er reichte ihr sein Gewehr, und sie hängte es sich über den Rücken, ohne irgendwelche Fragen zu stellen. So schrecklich es auch wäre– wenn es sich um den Biss einer Giftschlange oder eines giftigen Reptils handelte, würden sie das unglückliche Geschöpf nicht leiden lassen.
    George begab sich an die Spitze der kleinen Karawane, nahm einem der Eingeborenen die Fackel aus der Hand und wies ihn an, den Weg nach links freizuschlagen.
    » Was soll das? « ,

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