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Sanfter Mond über Usambara

Sanfter Mond über Usambara

Titel: Sanfter Mond über Usambara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Bach
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darauf stürzte der Regen wie aus Eimern herab, trommelte ohrenbetäubend aufs Dach, und überall wurden hastig die Fenster hochgeschoben.
    » Da, schauen Sie sich nur die armen Kerle an « , sagte der deutsche Ingenieur aus Leipzig und wies nach draußen. Im dichten Regen war undeutlich eine Karawane zu erkennen, die sich längs des Pangani in Richtung Usambara bewegte: vierzig bis fünfzig schwarze Träger mit mehreren beladenen Maultieren, die wegen des Unwetters scheuten und nur mit Mühe gehalten werden konnten.
    » Es gibt Pflanzer, die die Usambara-Bahn wegen der hohen Frachtkosten boykottieren und lieber einheimische Träger anmieten. Billiger kommen sie deshalb nicht weg, vermutlich zahlen sie sogar mehr, von dem Warenschwund unterwegs– die Neger sind alle Langfinger– einmal ganz abgesehen. Aber es geht ihnen ums Prinzip… «
    Ein Blitz erhellte die Landschaft, so dass man die dunklen, regennassen Gestalten nun deutlich erkennen konnte. Sie hatten sich in kleinen Grüppchen zusammengeschart und suchten unter dem Blätterdach der Palmen Schutz vor dem Unwetter.
    » Es ist kein Spaß, bei einer solchen Sintflut durch den Matsch zu stapfen… « , seufzte der Ingenieur mitfühlend.
    Der Donner hörte sich an, als krachten riesige Holzkisten mit voller Wucht aufeinander. Die schwarzen Kinder steckten sich die Finger in die Ohren und kniffen die Augen zu, Elisabeth ließ die Erdnusstüte fallen und kletterte vorsichtshalber auf Georges Knie.
    Die Gespräche im Waggon verstummten, alle lauschten dem Prasseln des Regens, das sogar die Zuggeräusche übertönte. Plötzlich war Peter Siegels Stimme zu vernehmen, heiser und seltsam dumpf.
    » Eine Sintflut über dieses Land. Der Himmel öffne seine Schleusen, und die Erde gebe ihre Gewässer frei. Kein Hügel, kein Felsen, nicht der höchste Berg soll aus den Fluten ragen. Herr, schicke eine Sintflut über Afrika, damit alles Leben ersäuft! «
    Die Reisenden starrten ihn entsetzt an, selbst die Afrikaner und Inder, die so gut wie kein Wort verstanden hatten. Charlotte sah, wie der Bart des Missionars auf seltsame Weise zuckte, dann wandte er sich wieder zum Fenster und brach in höhnisches Gelächter aus.
    Den Rest der Bahnfahrt über sprach er kein Wort mehr. Mürrisch starrte er aus dem Zugfenster, wies die Teigfladen zurück, die George freigebig allen Umsitzenden anbot, und seufzte ungeduldig, wenn die Bahn an einer der vielen Haltestellen stoppte, um Reisende aus- und einsteigen zu lassen. Wenn die Güterwagen geöffnet und Waren ausgeladen wurden, wanderte sein Blick hinauf zur Wagendecke, und Charlotte war sich sicher, dass er ein Stoßgebet zum Himmel schickte. Die Zeit lief ihnen davon, sie würden weit mehr als fünf Stunden bis Mombo benötigen, was Peter Siegels Reiseplänen ganz und gar zuwiderzulaufen schien.
    Horst Meier verabschiedete sich in Korogwe, wo er bei einem befreundeten Plantagenbesitzer die Nacht verbringen wollte. Bis Wilhelmsthal würden sie es heute gewiss nicht mehr schaffen, das sei von der letzten Bahnstation Mombo aus gut zwanzig Kilometer entfernt, also knapp vier Stunden Fußweg, auf diesen aufgeweichten Wegen sogar länger. Er habe keine Lust, in die Dunkelheit zu geraten oder in einem Negerdorf zu übernachten.
    » Ich hoffe sehr, wir begegnen uns bald wieder « , sagte er beim Abschied zu Charlotte. » Es gibt so wenige deutsche Frauen hier in der Gegend. Ich meine, es gibt schon einige Frauen, tüchtige Personen, die ich sehr respektiere. Die Ehefrauen der Pflanzer und der Missionare, auch einige Gemeindeschwestern und Diakonissen sind hier im Einsatz, sogar eine Lehrerin. Aber… « Der Ingenieur zog Charlottes Hand an seine Lippen und warf George einen entschuldigenden Blick zu. « …aber ich habe noch nie eine so anmutige Dame wie Sie hier in der Wildnis getroffen. Ich hoffe wirklich, bei Gelegenheit wieder mit Ihnen plaudern zu können… «
    Draußen ertönte der schrille Pfiff des schwarzen Stationsvorstehers. In letzter Minute riss Horst Meier mit einem heftigen Ruck die Waggontür auf und sprang auf den Bahnsteig. Der Zug setzte sich in Bewegung, und er blieb stehen und winkte ihnen mit seinem Hut hinterher.
    Der Regen hatte aufgehört, überall blitzten Pfützen, rötlich gelbe Rinnsale schossen gurgelnd über die aufgeweichte Erde und zwangen die Reisenden an der Bahnstation, mit geschickten Sprüngen darüber hinwegzusetzen. Grau und felsig erhoben sich die Hänge von Ost-Usambara, Nebel dampfte aus den

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