Sanfter Mond über Usambara
empörte sich der Missionar. » Ich habe diese Männer mitgebracht, sie sind gute Christen und hören auf meine… «
» Es reicht « , knurrte George. » Ich habe keine Lust, mir die Nacht im Urwald um die Ohren zu schlagen. Wir gehen jetzt in die Richtung, die ich bestimme! «
Auf diese ruppigen Worte wagte Peter Siegel nichts zu erwidern, doch die Geste, die er machte, sprach Bände. Seine Gefolgschaft kümmerte das wenig, die Männer taten, was George ihnen auftrug, und es hatte fast den Anschein, als seien sie froh darüber, einen entschlossenen Führer gefunden zu haben. Langsam setzte sich die Reisegesellschaft wieder in Bewegung, die Blendlaternen hatten längst ihren Dienst aufgekündigt, und immer wieder mussten sie auf die Suche nach trockenen Hölzern gehen, um sich mit neuen Fackeln zu versorgen. Die Marschordnung war nun eine andere, vorn gingen drei Männer mit Stöcken und Buschmessern, danach folgte George, der sich ebenfalls mit einem Buschmesser bewaffnet hatte. Peter hielt sich zwischen den Trägern in derMitte des Zuges, die beiden Maultiere bildeten den Schluss.
» Mama? «
Charlotte hatte die Arme um ihre Tochter geschlungen, die Kleine war todmüde, doch die Aufregung wollte sie nicht schlafen lassen.
» Was ist denn? «
» Dort ist ein Gesicht zwischen den Gräsern. Hast du es gesehen? «
Sie streckte den Arm aus, doch Charlotte konnte nichts erkennen, der Fackelschein war längst an der Stelle vorübergezogen.
» Das wird ein merkwürdig geformter Stamm oder ein Farnbüschel sein, Elisabeth. Ich bin vorhin auch darauf reingefallen. «
» Das war ganz sicher kein Farnkraut, Mama. Ich habe es genau gesehen, aber du hast schlechtere Augen als ich, deshalb erkennst du nichts. Es schaute aus wie ein afrikanischer Krieger, mit braunen und schwarzen Strichen hier und da und weiß umrandeten Augen. Und die Nase war ganz schwarz angemalt… «
Charlotte versuchte, ihre Unruhe zu verbergen. Konnte es sein, dass sie von kriegerischen Eingeborenen ausgespäht wurden? Aber doch nicht mitten in der Nacht! Außerdem hatte es geheißen, die Waschamba seien eher friedlich gesinnt…
» Schlaf ein wenig, Lisa. Ich halte dich fest. «
» Sind wir bald in Wuga? «
» Sicher, mein Schatz. George führt uns hin. «
» Dann sind wir bestimmt gleich da! «
Die Kleine lehnte sich gegen ihre Mutter und schien nun tatsächlich ein wenig schlummern zu wollen. Charlotte hatte sich immer wieder umgedreht, um nach dem verletzten Maultier zu sehen, das bisher wacker hinter ihnen hergehumpelt war. Jetzt plötzlich spürte sie, wie ihr eigenes Maultier unruhig wurde, und auch das verwundete drängte sich eng an sie heran. Irgendetwas dort hinten in der undurchdringlichen Finsternis des Pfades musste die Tiere erschreckt haben.
» Heb die Fackel hoch « , rief sie dem zuletzt gehenden Träger auf Suaheli zu. » Da ist was. «
Der Mann reagierte nicht sofort, vielleicht hatte er sie nicht richtig verstanden, doch als er die Fackel endlich hob, glühten im flackernden Lichtschein zwei Augen auf. Blitzschnell riss Charlotte das Gewehr von ihrem Rücken, und Elisabeth schrie auf, als der Schaft dabei ihren Kopf streifte. Für den Bruchteil einer Sekunde blickte Charlotte dem Herrn des Urwalds ins Antlitz, das schön gezeichnet war und schrecklich zugleich, in seinen Augen glomm das Feuer des Todes, während er sich auf die Beute stürzte. Dann peitschte der Schuss durch die Stille des nächtlichen Waldes.
» Chui! «
Affen kreischten über ihnen in den Bäumen, Charlottes Maultier wieherte panisch und bäumte sich auf vor Angst. Elisabeth klammerte sich angstvoll an seiner Mähne fest.
» Chui! «
Nach dem ersten Schrecken liefen alle zusammen, Schreie gellten durch die von zuckenden Fackeln erhellte Nacht. Zwei der Träger besaßen Gewehre und feuerten auf den Flüchtenden. Elisabeth heulte laut vor Schmerzen. George hob sie vom Maultier und wiegte sie tröstend in den Armen.
» Verdammter Bursche. Er muss schon eine ganze Weile hinter uns hergeschlichen sein. Hast du ihn erwischt? «
» Was für eine Frage. Natürlich nicht. Ich würde es niemals fertigbringen, einen Leoparden zu töten. «
Charlotte zitterte am ganzen Leib. Sie wusste, dass sie Unsinn redete. Natürlich hätte sie das Raubtier getötet, wenn es ihr Kind oder sie selbst angegriffen hätte, doch in der Eile hatte sie gar nicht zielen können. Der Leopard hatte den Sprung gut angesetzt und trotz seines Schreckens über den Schuss noch eine
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