Sanfter Mond über Usambara
miteinander verbunden. Jetzt befand sich dort sogar ein mit Wellblech gedeckter Vorbau, in dem die Druckmaschine stand. Außer dem Missionshaus gab es einige lang gestreckte Ziegelbauten, die als Wohnungen der Schwarzen und als Schulstube dienten, eine Kirche oder Kapelle fehlte jedoch. Alle Gebäude gruppierten sich um einen grasbewachsenen Hof, auf dem tagsüber das Kleinvieh umherlief. Bäume und Buschwerk schützten den Hof in den Gebäudelücken, hin und wieder diente eine aufgespannte Strohmatte dazu, Menschen und Vieh notdürftig vor den Raubzügen der Urwaldbewohner zu schützen.
Peter Siegel schob die Teetasse zurück und bedachte Charlotte mit einem mitleidigen Blick. Gewiss, man habe hier in Wuga eine Druckerei, es würden Sammlungen biblischer Geschichten in der Sprache der Waschamba gedruckt und neuerdings sogar das Evangelium.
» Wozu aber soll das alles dienen, wenn die schon bekehrten Christen wieder dem Teufel anheimfallen? Hast du nicht gehört, was Pastor Franz Gleiß gestern Abend erzählt hat? Über zwanzig Seelen gingen während der vergangenen Monate wieder an das Heidentum verloren. Was andere glücklich aufgebaut haben, das zerfließt ihm unter den Händen… «
Charlotte nickte zu seinen Worten, weil sie keine Lust auf eine Diskussion verspürte. Franz Gleiß hatte eigentlich einen guten Eindruck auf sie gemacht, er war zwar ein wenig umständlich und auch nicht gerade mit männlicher Schönheit gesegnet, doch er verstand die Sprache der Waschamba hervorragend und übersetzte Texte aus der Bibel für die Eingeborenen. Seine Frau hatte harte Gesichtszüge, die durch das straff zurückgebundene Haar noch schärfer hervortraten. Charlotte wurde aus ihr nicht schlau, sie war ein schweigsamer Mensch, und es hatte fast den Anschein, als sei sie über den nächtlichen Besuch nicht sonderlich erfreut gewesen. Schon früh am Morgen war sie mit zwei schwarzen Frauen zum Fluss hinuntergelaufen, um die Wäsche zu waschen. Charlotte trank einen Schluck Tee und lauschte zum Nebenzimmer hinüber. Es war immer noch nichts von Elisabeth zu hören, das Mädchen war gestern vollkommen übermüdet gewesen und erst spät eingeschlafen.
» Tee trinken sie. Vielleicht auch noch Kaffee. Ein Missionar sollte sich von dem ernähren, was auch seine Schutzbefohlenen essen. Mais, Bohnen, Honig, Eier und Ziegenmilch… «
» Eigentlich bin ich froh, dass es Tee und keine Ziegenmilch zum Frühstück gibt. «
Auf seinen vorwurfsvollen Blick hin fügte sie rasch hinzu: » Aber ich bin ja auch keine Missionarsfrau. «
» Das allerdings nicht! «
Peter Siegel hatte längst begriffen, dass George nicht viel von der Bekehrung der Heiden hielt. Sie hatten zwar niemals darüber gesprochen, doch die ironischen Bemerkungen von Charlottes Ehemann waren dem Missionar nicht entgangen. Dr. George Johanssen war in seinen Augen ein hochnäsiger und gottloser Mensch, und die Ereignisse der vergangenen Nacht hatten diese Meinung auf schlimmste Weise bestätigt.
Charlotte kaute an einem Stück Gerstenbrot, das sie in Honig getaucht hatte, und schaute dabei amüsiert durchs Fenster in den Hof hinunter. Fensterglas gab es nicht, aber oben an der hölzernen Einfassung baumelte eine aufgerollte Bastmatte, die man bei schlechtem Wetter herunterließ.
Zwischen Hühnern, Enten und Ziegen liefen schwarze Kinder umher, die offenbar aus den Dörfern gekommen waren, um die Missionsschule zu besuchen. Es waren ausschließlich Knaben, einige von ihnen trugen stolz einen fleckigen Tornister aus Leder auf dem Rücken. An einem steinernen Wassertrog trank eine Stute mit ihrem Fohlen, daneben hockten die Träger aus Hohenfriedeberg, aßen Maisfladen und reichten eine Kalebasse von einem zum anderen. Nicht weit von ihnen rupften drei afrikanische Kühe die frisch gesprossenen Gräser ab und schienen auch Interesse an einigen Farnwedeln zu zeigen. Es war eine heitere, ländliche Szene, die sich jetzt weiter belebte, als George mit Missionar Gleiß aus einem der Nebengebäude trat, gefolgt von dem schwarzen Träger, dem das verletzte Maultier gehörte.
» Dieses Vieh macht nichts als Scherereien! Wahrscheinlich will der schlaue Bursche den Verlust ersetzt haben. «
» Möglich. Ein Maultier ist immerhin ein wertvoller Besitz für einen Schwarzen. «
Neben Georges hoher, schlanker Gestalt wirkte der stämmige Pastor Gleiß mit dem kahl geschorenen Schädel ziemlich bäurisch. Charlotte betrachtete ihren Mann mit zärtlichen Blicken. George hatte
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