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Sankya

Sankya

Titel: Sankya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zakhar Prilepin
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Ausdruck so häufig veränderten.
    Und dann dachte er sofort an die Mutter, und an diesem Wechsel war weder etwas Geschmackloses noch Vulgäres.
    »Wer wagt es, meine Mutter zu beleidigen? Meine Mutter, wer?«, dachte er, starrte vor sich hin, auf die Plastikwand mit dem unsinnigen Kalender; hinter der Wand saß und rauchte der Fahrer. Sascha roch den Rauch und bekam selbst Lust, zu rauchen.
    Er war durchgefroren und hungrig, die Mutter erreichte er telefonisch erst nach dem Mittagessen. Sie hob den Hörer beim ersten Läuten ab, als hätte sie neben dem Telefon gesessen.
    »Wo bist du, Junge?«, schrie sie beinahe.
    »Beruhig dich, Mama, es ist alles in Ordnung«, antwortete Sascha. Er schaute sich aus irgendeinem Grund nach allen Seiten um, blickte in die Gesichter der Menschen, die neben seiner Kabine standen, verhaspelte sich. »Ich … bin auf der Straße … Ich ruf hier von einem Ort aus an. Was ist bei dir?«
    »Was ist bei mir. Nichts ist bei mir. Die Handwerker habe ich bestellt – sie setzen die Tür ein.«
    »Haben sie die eingeschlagen?«
    »Du hast mir doch selbst gesagt: Öffne nie irgendwem, sag, sie sollen die Vorladung im Postkasten lassen. Also habe ich nicht geöffnet«, sagte die Mutter aufgeregt und vorwurfsvoll.
    »Haben sie dich geschlagen?«
    »Ach Gott, nein, Sascha, niemand hat mich angerührt, tu du nur nichts. Niemand hat mich geschlagen. Sie haben alle Sachen in der Wohnung durchwühlt, meine Pflanze haben sie warum auch immer auf dem Boden zerschlagen, dich haben sie alles mögliche geheißen und sind gegangen. Was hast du angestellt, ha? Wo bist du denn?«
    »Nirgends, Mama! In Karaganda! Bleib ruhig dort sitzen, fürchte dich nicht. Ich habe nichts Schlechtes getan, verstehst du? So, das Geld geht aus. Mama! Bis bald! Es ist alles gut! Es wird alles gut!«
    Er drückte schnell den Hörer auf die Gabel.
    Er verließ die Telefonzelle, ging eine Haltestelle zu Fuß, es wurde ihm leichter ums Herz. Er hatte sich sogar aufgewärmt. Er sprang aufs Trittbrett der Marschroutka auf.
    Mittlerweile war es vollständig dunkel geworden.
    Als er sich Olegs Wohnung näherte, verlangsamte er den Schritt und blickte auf die Fenster. Licht, nur Licht, wenn wenigstens eine bekannte Visage zu sehen wäre.
    »Was ist bei euch da im Hof los? Versteckt sich hinter der Ecke ein Fahrzeug der Sondereinheit?« Sascha blickte sich um. »Wer raucht denn da bei uns? Irgendein Kerl raucht da.« Der schaute Sascha genauso an. »Na, ich werde auch rauchen. Ziehe noch eine Runde …«
    Sascha wollte schon weitergehen, drehte sich aber plötzlich um – er erkannte den dort Stehenden nicht an seinen Gesichtszügen, die in der Dunkelheit nicht auszumachen waren, sondern gefühlsmäßig, am kurzen Mantel, an der Handbewegung, wie die Zigarette zum Mund geführt wurde.
    Und Sascha wurde offenbar auch erkannt.
    »Matwej!« Sascha breitete die Arme vor Verwunderung und Freude aus.
    »Sascha« – seiner Stimme war anzuhören, dass auch Matwej lächelte.
    Sie umarmten sich, aufrichtig, voller Herzlichkeit.
    »Wie hast du denn dieses Haus gefunden, Matwej?«
    »Das letzte Mal hab ich zusammen mit Rogow hier übernachtet.«
    »Ach ja, genau. Hatte ich vergessen. Bist du schon lange da?«
    »Bin grad gekommen, vor sieben Minuten. Direkt von der Elektritschka. Ich hab mich eben umgeschaut, ob sie eure Hütte schon ausgehoben haben oder nicht.«
    »Ich schau mich auch gerade um.«
    »Heißt das, sie machen euch schon ordentlich Druck?« Matwejs Stimme wurde sofort ernster.
    »Genau wissen wir das nicht. Wir haben gestern im Stadtzentrum eine Plünderung und ein Feuerwerk veranstaltet. Jetzt verkriechen wir uns. Und ihr, habt ihr Probleme wegen Jana?«
    »Probleme …«, lachte Matwej auf, und meinte damit – gelinde gesagt.
    »Na gut, was warten wir noch.« Sascha hatte verstanden, dass dies ein ernstes Gespräch war, und Matwej sah auch müde aus. »Warte, ich gehe zur Wohnung, wenn ich nicht zurückkomme, bedeutet das, du musst weiterfahren.«
    »Nicht so hastig, Sasch. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass dort … dass man uns erwartet?«
    »Aber nein, es ist alles okay. Unsere Jungs sind da, Wenja, nebenbei …«
    »Wenja?!«
    »Ja, Wenja, na und? Sie hätten ein Fenster zerschlagen, wenn was wäre, mir irgendwie Zeichen gegeben. Sie warten auf mich. Ich denke, es ist okay. Ich komme gleich.«
    Sascha ging hinauf zur Wohnungstür – blieb einige Sekunden regungslos stehen. Zuerst hörte er nur den dröhnenden

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