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Sankya

Sankya

Titel: Sankya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zakhar Prilepin
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Vorwarnung«, fügte Wenja gutgelaunt hinzu.
    Werotschka schaute ängstlich zu Sascha, er lächelte ihr aufmunternd zu.
    »Was stehen wir rum?«, fragte Matwej fröhlich.
    »Gehen wir in den Wald«, antwortete Sascha im selben Ton.
    »Dort geht der Schnee doch bis zu den Knien«, beschwerte sich Werotschka.
    Sascha, der als erster hinunter kletterte, bemerkte sogleich, dass er am Abhang neben der Straße sogar höher war als bis zu den Knien – die Schneeräumfahrzeuge hatten ihn da zusammengeschoben.
    Die Jungs lachten, Posik versuchte kriechend oder mit Froschsprüngen voranzukommen, auf allen vieren – trotzdem sank er ein. Saschka musste Werotschka herausziehen und fast tragen – der Schnee ging ihr bis zur Hüfte.
    Im Wald lag weniger Schnee, trotzdem war der Weg anstrengend, sie kamen kaum voran, sie wurden rasch müde. Wenja und Posik bewarfen sich währenddessen mit Schneebällen.
    »Posik ist in Stimmung gekommen«, freute sich Sascha.
    »Und wenn uns hier zufällig jemand in Uniform begegnet, was sagen wir?«, alberte Wenja. »Wir haben uns verirrt, Genosse Milizionär?«
    Werotschka fiel zurück, nur mühsam konnte sie ihre Beinchen in den kleinen Schuhen heben. »Die sind sicher schon voller Schnee«, dachte Sascha. Von Zeit zu Zeit wartete er auf sie, führte sie an der Hand, aber so war das Gehen für beide noch schwieriger, und Sascha ging wieder vorne weg.
    »Matwej«, fragte er leise. »Denkst du manchmal daran, was uns erwartet? Was erwartet die Partei?«
    Matwej blickte Sascha ernst an.
    »Na, du bist ein kluger Mann, Sascha«, antwortete er.
    Sascha schwieg, auf eine Weise, dass Matwej kapieren müsste, dass er eine andere Antwort erwartete. Und Matwej kapierte es.
    »Sascha, wir haben keine einzige Chance«, sagte er. »Aber ist das wichtig?«
    Sascha hielt sich an einem Baum fest.
    »Ist es nicht«, antwortete er ehrlich.
    Eine Stunde später beschlossen sie, auf die Straße hinauszugehen; von der Kälte ziemlich klamm, staksten sie auf steifen, vor Kälte starren Beinen dahin, sie glichen dem Buchstaben »A«.
    »Saschenka, es fühlt sich an, als wäre ich barfuß«, jammerte Werotschka.
    »Werotschka«, drang der unvermittelt fröhliche Sascha in sie, »ich vergesse die ganze Zeit zu fragen, wie du eigentlich zu den ›Sojusniki‹ gekommen bist?«
    Werotschka antwortete nicht, sie war völlig ausgekühlt, schüttelte nur den Kopf.
    Olegs Auto stand ein wenig weiter vorne auf der Straße, sie begannen zu laufen, die Knie gehorchten nicht, der Wind blies ins Gesicht.
    »Heiz den Ofen ein, Bruder!«, bat Matwej als er einstieg; an Sascha gewandt fragte er: »Ist es weit bis zu deinem Dorf?«
    »Weit«, antwortete Sascha. »Meine Großmutter ist dort. Bei ihr können wir uns aufwärmen … Die nächste Kreuzung, Oleg. Nach links.«
    Sascha, der sich nur mit Mühe das Grinsen verkneifen konnte, stellte sich vor, wie gut es ihnen dort gehen würde – verpflegt, in der Wärme, sie würden spazieren gehen, Schlitten fahren … und? … Die Hütte würden sie reparieren.
    »Ich werde die Jungs zu Vaters Grab bringen … Ich werde ihm meine Freunde zeigen … Wir werden am Grab trinken … Ich werde mich vor dem Großvater verneigen, ich war nie bei ihm. Herr, geleite uns sicher hin!«
    Sascha zuckte zusammen, er erinnerte sich, wie er gefragt hatte, ob es noch viel für die Hölle brauchte …
    »Und jetzt belästigst du denselben Herrn mit deinem ›Geleite uns sicher hin‹?«
    »Um gar nichts bitte ich. Um nichts«, antwortete er.
    »Weißt du, wie ich dazu gekommen bin, Sascha?«, drückte sich Werotschka plötzlich an seine Schulter.
    »Was?«
    »Du hast gefragt, warum ich zu euch in die Partei gekommen bin … Mama hat mir einmal erzählt, dass sie, als sie noch ein kleines Mädchen war, irgendjemandem einen Brief schreiben wollte, einem Jungen oder einem Mädchen in einer anderen Stadt, aber in unserem Land. Mama schloss die Augen und zeigte aufs Geratewohl mit dem Bleistift auf die Karte. Sie hatte den Kaukasus erwischt, irgendeine kleine Stadt. Also schrieb sie einen Brief: ›Ich heiße Mascha, ich möchte, dass wir Freunde werden, ich gehe in die fünfte Klasse, habe Zweier und manchmal Dreier.‹ Die Adresse dachte sie sich aus: Leninstraße, Hausnummer sowieso, Wohnung sowieso … Und sie bekam eine Antwort, stellt dir das vor! Ein Mädchen aus Dagestan, nur ein Jahr älter als sie, hatte geantwortet … Sie haben sich dann sehr lange geschrieben und sich besucht, bis ich geboren

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