Sankya
über die die junge Frau, die diesen barbarischen Akt gegen das Staatsoberhaupt begangen hat, mit dem Gesicht buchstäblich geschleift wurde. Die Platte ist voller Blut, und, wie Zeugen berichten, es befinden sich auch Teile der Zähne der jungen Frau darauf. Allem Anschein nach wurde ihr außerdem ein Arm gebrochen – in der Nähe Stehende vernahmen ganz deutlich das charakteristische Krachen. Hinzuzufügen ist, dass die junge Frau keinerlei Widerstand geleistet hat, es gelang ihr aber, den Satz zu rufen: ›Das war eine politische Aktion!‹«
Sascha schüttelte es.
Ganz offensichtlich fand der Sprecher an diesem Vorfall und seinem Bericht darüber – Gefallen. Offenkundig war er überzeugt, dass dies zwar seine letzten Minuten auf dem Bildschirm und in Live-Schaltung waren, seine Reportage würde heute aber auf allen Kanälen der Welt gezeigt.
»Die Mitarbeiter der Präsidentenwache konfiszierten sofort alle Filme der Foto- und Fernsehkorrespondenten, aber uns ist es wie durch ein Wunder gelungen, das aufgenommene Material zu sichern«, berichtete der Sprecher. »Unsere Quellen in der Partei ›Sojus sosidajuschtschich‹ bestätigen, dass Jana Scharonowa in letzter Zeit eine leitende Position in der Partei innehatte. Ihr wird die Organisation der Besetzung des Aussichtsturms im Zentrum von Riga mit der Forderung, die Veteranen des Großen Vaterländischen Krieges aus den lettischen Gefängnissen zu entlassen, zugeschrieben. Aufgrund fehlender Beweise blieb Scharonowa allerdings in Freiheit.«
Es folgte eine Reportage über jene Aktionen der »Sojusniki«, die in den letzten Jahren den größten Wirbel verursacht hatten: Die Verwüstungen im Zentrum von Moskau, die Minister in Mayonnaise und mit Sahnetorten, die auf deren schwere Köpfe geflogen waren, die Strohpuppe eines Gouverneurs auf einer Turmspitze …
»Und hier die neueste Nachricht aus der Provinz«, berichtete der Sprecher zufrieden.
Die Jungs sahen jetzt den McDonald’s vom Vortag, der aussah, als hätte er einen schweren Wirbelsturm überstanden. Nicht mehr imstande, sich noch länger zurückzuhalten, begannen Wenja und Oleg zu brüllen, selbst Posik grinste.
Kurz war die Tür mit der Aufschrift »Wichser« zu sehen, gefolgt von der Fassade mit dem Wort »Dreckschweine«, mit einem Ausrufzeichen gekrönt; danach kam die Ansicht des Büros von innen – ausgebrannte Mauern, schwarze Heizkörper und Haufen an geschmolzenem Gerümpel, das noch gestern Computer gewesen waren.
Der Sprecher kommentierte das Bildmaterial.
»Das ist das Ende« sagte Sascha leise, der als einziger nicht die ganze Zeit grinste. »Den Präsidenten verzeihen sie uns nicht.«
»Schon gut, gar nichts wird geschehen«, winkte Wenja ab. In der Sekunde begann das alte Telefon zu scheppern, der ganze weiße Kasten wackelte. Alle sahen einander an.
Oleg nahm den Hörer ab.
»Sascha, für dich«, sagte er.
Es war der Schamane, der hiesige »Sojusnik«.
»San, deine Mutter sucht dich.«
»Schaman, von wo rufst du an?«, unterbrach ihn Sascha.
»Es ist alles okay, nicht von zu Hause. Die Mutter sucht dich, sie weint.«
»Was ist passiert?«
»Sie sagt, die Polizei war da, sie haben dich gesucht. Deine ganze Wohnung haben sie auf den Kopf gestellt. Haben sie gestoßen, sagt sie.«
»Was heißt ›gestoßen‹?«
»Ich weiß nicht, was das heißt. Sie sagt ›gestoßen‹. Sie ließ sie nicht rein. Offenbar haben sie die Tür eingeschlagen. Sie weint.«
»Okay, ich hab verstanden, sie weint.«
Kaum hatte er den Hörer aufgelegt, noch ein Anruf. Oleg nahm den Hörer ab. Er hörte schweigend zu und legte dann auf.
»Die Bullen waren bei mir«, sagte er.
»Haben sie dich von daheim angerufen?«, fragte Sascha. Er verstand: Wenn sie von zu Hause angerufen haben, hieß das, sie würden bald hier sein.
»Alles in Ordnung. Ich habe meine Oma instruiert. Wenn die Milizionäre kommen, sagte ich ihr, ruf an und sage: ›Olja, ich hab ein Ragout gemacht! Komm auf Besuch!‹ Genau so hat sie es auch gesagt. Sie konnte sich das nicht merken, ich habe es ihr auf einen Zettel geschrieben und über das Bett geklebt.«
Oleg lachte zufrieden. Sascha sah ihn aufmerksam und nachdenklich an. Okay, beschloss er, bleiben wir erstmal hier. Ich muss nur zur Mutter. Sie haben sie gestoßen. Ich werde euch auch stoßen, Schweine.
Sie wuschen sich die Gesichter, frühstückten zwischendurch, tranken Tee. Als Sascha sah, dass Wenjas Augen über die unwiederbringlich geleerten
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