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Sankya

Sankya

Titel: Sankya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zakhar Prilepin
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nahm eine Zigarette und begann sie mit den Fingern zu kneten, er wusste nicht, was er antworten sollte.
    »Ich werde dir Zwiebeln mitgeben. Und Eier …«, sagte die Großmutter leise.

Kapitel 3
    Zu Hause auf dem Tisch lag noch immer sein Zettel.
    Mama, die nicht wusste, wohin und für wie lange er weggefahren war, hatte ihm eine Antwort darauf geschrieben: »Irgendwelche in Zivil mit roten Ausweisen und der Revierinspektor sind gekommen was tust du denn Sohn.«
    Das Geschriebene war ohne Satzzeichen, weshalb Sascha die bittere Intonation der Mutter noch deutlicher auffiel. Er schob den Zettel aus seinem Blickfeld.
    Sascha hielt ein angezündetes Streichholz an den Herd, hob den Wasserkessel automatisch zum Feuer, weil er schon an dessen Gewicht erkannt hatte, dass genügend Wasser drin war, versuchte zu entscheiden, was jetzt zu tun wäre; mit dem Wasserkessel in der Hand erstarrte er, als es an der Tür klingelte.
    Er hatte einen Schwächeanfall, ihm wurde übel, saurer alter Speichel floss in seinem Mund zusammen, die fast abgeheilte Lippe begann wieder zu brennen.
    Die Wohnung lag im vierten Stock, weshalb er nicht durchs Fenster fliehen konnte.
    »Und wenn ich sie einfach nicht reinlasse?«, schoss es ihm durch den Kopf. »Nein, sie wissen, dass ich hier bin. Wahrscheinlich haben sie mich nach Hause kommen sehen … Na und, die Tür werden sie ja wohl nicht aufbrechen? Dafür brauchen sie irgendeine Erlaubnis … Oder hat der Revierinspektor das Recht dazu? Wenn die Staatssicherheit mit dem Revierinspektor kommt, brechen sie die Tür gleich auf … Warum haben sie mich eigentlich nicht auf der Straße geschnappt?«
    Schließlich stellte Sascha den Wasserkessel vorsichtig auf das Feuer und ging auf Zehenspitzen zur Tür.
    Er stand da, lauschte. Es war still.
    Nach einem kurzen Knacken ertönte noch einmal die Klingel, so laut, dass das Geschirr im Schrank klirrte.
    Sascha machte einen entschlossenen Schritt nach vorne und schaute durch das Guckloch.
    Auf der anderen Seite stand Negativ, ein junger, siebzehnjähriger Bursche aus der lokalen Abteilung des »Sojus Sosidajuschtschich«.
    »Hallo«, sagte er, als er Sascha am Guckloch sah.
    »Bist du allein?«, fragte Sascha mit gedämpfter Stimme.
    »Allein.«
    Sascha öffnete die Tür. Negativ trat ein und drückte ihm die Hand, wie immer dabei seitlich nach oben schauend, als würde er etwas suchen; diesmal war es wohl die Deckenlampe, an der sein angewiderter Blick hängenblieb.
    »Du musst das Licht im Vorzimmer abdrehen«, sagte er mürrisch. »Sonst sieht man, wenn du durchs Guckloch schaust.«
    Negativ war fünf Jahre jünger als Sascha, ein Unterschied, der aber kaum zu merken war, vermutlich deshalb, weil der im Internat aufgewachsene Negativ ein rationaler und harter Typ war, für sein Alter ziemlich kräftig, wenn auch nicht sehr groß.
    Ein Schneidezahn war ausgebrochen, was Negativs ohnehin nicht gerade freundlichem Gesicht mit der niedrigen Stirn und den weit auseinander stehenden Augen noch mehr Härte verlieh.
    Er wurde Negativ genannt, weil er ständig mit allem und jedem unzufrieden war. Er war kein Nörgler, eher ein Dickkopf, mit eigenen und eindeutigen Vorstellungen vom Leben. Seine schweigsame Unzufriedenheit war wenig jugendlich düster, oft wirkte sie wie Gleichgültigkeit, was sie aber nicht war.
    Er lächelte nicht, und schon gar nicht lachte er. Fast nie. Äußerst selten.
    »Woher weißt du, dass ich zu Hause bin?«, fragte Sascha.
    »Ich wusste es nicht, bin einfach so gekommen«.
    »Wie geht’s euch?«, fragte Sascha laut, der sofort in die Küche ging.
    »Na, ihr habt da ja was geliefert in Moskau.« Negativ beantwortete die Frage nicht. »Ich hätte auch hinfahren sollen. Sehr schön. Hast du dich in der Glotze gesehen?«
    »Mich?« Sascha schaltete den nervig wackelnden Teekessel aus und drehte sich zu Negativ um, der die Schuhe ausgezogen hatte und in die Küche gekommen war.
    »Du hast das nicht gesehen? Am Anfang hat man dich in der ersten Kolonne sehen können, und einer von euch hat einen Bullen mit einem Knüppel bearbeitet, dann rennen alle weg, Schaufenster klirren, ein Bulle liegt auf dem Boden, und du springst auf seine Kappe. Tolle Aufnahme. Warum nur auf die Kappe, denk ich mir? Wenn du ihm gleich auf den Kopf gesprungen wärst? Ha?«
    Sascha erschrak. Es ist nicht sehr angenehm, wenn einige tausend, vielleicht sogar hunderttausend Menschen deine … Späße … gesehen haben.
    »Und bin ich dort gut zu erkennen?«,

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