Sankya
Sie weiß ja nicht, dass sie angeschaut wird. Und Sascha drehte sich um.
Aus unerfindlichem Grund verließ er die Metro glücklich und ging zum Bunker. So bezeichneten die »Sojusniki« den Stab der Partei. Eigentlich handelte es sich um einen ganz normalen Keller, den Kostenko zufällig bekommen hatte.
Man hatte mehrfach erfolglos versucht, sie aus dem Keller hinauszuwerfen. Plötzlich tauchte die Miliz auf, die ganz offensichtlich beabsichtigte, im Zuge einer »Inspektion der Baulichkeit« auf der Toilette des Bunkers zum Beispiel drei Kilo Koks zu hinterlegen und deshalb dann diese »Rauschgifthöhle« zu schließen.
Doch niemand ließ die Miliz rein. Die »Sojusniki« verbarrikadierten Türen und Fenster, kaum fuhren Autos mit Blaulicht vor, riefen sie der Reihe nach die Massenmedien an. Die kamen sehr schnell, machten die Leute in Uniform ziemlich nervös, und fragten, was überhaupt los sei. Die Obristen mit ihren roten Visagen schimpften herum und fuhren erfolglos von dannen. Den Bunker vor den Kameras einiger russischer und lästiger ausländischer Journalisten zu stürmen, gehörte offenbar nicht zu ihrem Plan. Es musste ein rechtlicher Grund gefunden werden, um die »Sojusniki« auf die Straße zu werfen, doch die schwerfällige Staatsmaschine war nicht imstande, einen solchen Grund zu finden.
Nach den Plünderungen in Moskau wurde die »Speznas«, die Sondereinheit, zum Bunker geschickt, die die Türen mit einem Schweißgerät aufschnitt; in den Räumen wurde ein ziemliches Chaos angerichtet, alle Technik zertrümmert und zertreten, jene, die sich im Bunker befunden hatten, wurden getreten und gefesselt. Dann ließ man sie wieder frei.
Was weiter geschehen war, wusste Sascha nicht. Offenbar war der Bunker versiegelt worden. Andererseits auch irgendwie nicht. Es hieß, »hohe Freunde« von Kostenko – und der hatte tatsächlich hochgestellte Freunde – hätten irgendwen ganz oben überredet, den »Sojusniki« die Räumlichkeiten zu lassen.
Sascha ging eine lange Straße entlang Richtung Bunker und entdeckte Jana, die auf einer Bank saß. Sie rauchte und betrachtete nachdenklich die leere Bank gegenüber.
Sascha hielt an und blieb einige Augenblicke lang stehen, konnte sich nicht entscheiden, hinzugehen, ihren Blick zu queren oder sich neben sie zu setzen und Janas ruhige, oder vielleicht auch traurige Stimmung zu stören.
Doch ihr Blick streifte zufällig Sascha, der in der Nähe stand; sie bewegte leicht den Kopf, als würde sie ihren Trübsinn abschütteln, und lächelte. Sogar ein wenig zärtlicher, als zu erwarten gewesen wäre – sie waren ja kaum miteinander bekannt, zwei Mal hatten sie miteinander gesprochen.
»Saschka!«, sagte Jana herzlich. Sie freute sich offensichtlich, ihn zu sehen.
Und Sascha durchströmte eine Süße wegen einer heimlichen Vorahnung, die ihn fast nie trog.
Er setzte sich neben sie, lächelte, und begann sofort zu rauchen – so war es immer leichter zu sprechen. Und auch zu schweigen.
Er fragte nach dem Bunker.
Den Bunker hatten sie den »Sojusniki« gelassen, erzählte Jana, doch ständig liefen Geheimdienstler herum, zwei Fahrzeuge patrouillierten von morgens bis abends. Unter dummen Vorwänden hielten sie einmal diesen, einmal jenen »Sojusnik« in den Höfen zur Feststellung der Identität fest. Sie führten sie ab, manche verprügelten sie, versuchten, wie es so schön heißt, sie einzuschüchtern, oder sie zum Anschwärzen zu zwingen.
»Der vierte Tag Willkür«, sagte Jana erbost.
Sascha schaute auf ihre feinen Hände, darauf, wie sie die Zigarette hielt, und ihre Finger … sie waren elegant und zart. Jana inhalierte tief, sprach leise, sie hatte eine sonore, tiefe Stimme, und manchmal lachte sie sogar richtig – zum Beispiel, wenn Sascha ziemlich dumme Scherze machte.
Sie erinnerten sich an den Ausbruch, die Plünderungen, wie lustig es gewesen war, wie laut. Sascha erzählte, wie sie durch die Höfe gelaufen waren. Es war wirklich sehr lustig. Jana lachte.
»Aber dich haben sie ja mitgenommen!«, erinnerte sich Sascha plötzlich.
»Sie haben mich ausgelassen«, sagte Jana mit merkwürdigem Unterton, und Sascha machte nach der Frage, wie und wer sie ausgelassen hatte, eine Pause – an ihrem Tonfall war plötzlich klar geworden, dass es nicht lohnte, weiter zu fragen. Sie zündete einigermaßen nervös eine Zigarette an.
Sascha schwieg, erstaunt, wusste nicht, was er sagen sollte, aber Jana, tief inhalierend und den Rauch rasch
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