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Sankya

Sankya

Titel: Sankya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zakhar Prilepin
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Chomut …«, sagte Sascha, der den Nachbarn, der zwei Häuser neben den Großeltern wohnte, an der Stimme erkannte.
    »He, wir sind hier!«, begann Sascha für sich selbst unerwartet zu schreien, obwohl sie direkt am Weg standen.
    »Tprru!« Das Pferd blieb einige Meter vor ihnen stehen.
    Chomut kletterte vom Schlitten und kam näher.
    »Sanjok, bist du es etwa?«, fragte er mit einer Stimme, in der sich kräftige und unverstellte Rauheit beinahe mit Fröhlichkeit vermischten. Doch hinter der Rauheit wie der Fröhlichkeit war der kaum wahrnehmbare starke Beigeschmack tödlicher Schwermut zu spüren. Dieser Beigeschmack war so hart und aufdringlich, dass man mit ihm gleichermaßen ersticken wie erstickt werden konnte.
    »Und Galja ist da, Galenka«, bemerkte Chomut, und drückte Besletow die Hand.
    »Na also, Wasja, ist dir am Rücken nicht kalt geworden?« Chomut setzte sich neben den Sarg und klopfte auf den Deckel. »Jetzt fahren wir nach Hause.«
    Er fragte nichts, überhastete nichts, fuhr den Schlitten vor, geschickt lenkend, drehte ihn um. Das Pferd stampfte, roch den Schnee, schielte auf den Sarg, drehte den Kopf. Chomut bedeutete den Muschiki (er nannte sie so, verfrorene »Mannsbilder«, wodurch Sascha irgendwie wieder Kraft bekam), das schmale Ende des Sarges zu nehmen, er selbst nahm das schwere, stöhnte, und der Sarg legte sich auf das Stroh.
    »So!«, befahl Chomut leise. »Halt fest«, bat er Besletow und zeigte auf den Sarg. »Sonst verlieren wir jemanden.«
    Erst jetzt fragte er Sanja: »Habt ihr lange gefroren?«
    »Lange. Der Fahrer ist in die Stadt zurück. Weiter ist er nicht gefahren.«
    »Na, wie sonst …«, antwortete Chomut und erzählte, nachdem er eine Weile geschwiegen hatte. »Und ich wache auf und denke: Ich muss in den Wald fahren. Die Großmutter hat mir doch gesagt: ›Sie bringen ihn.‹ Und heute Abend ist sie gekommen, ganz schwarz, und sagt: Wahrscheinlich haben sie es sich überlegt. ›Galja hat beschlossen‹, sagt sie, ›ihn näher bei sich zu lassen. Damit die Eltern hier allein und verwaist zugrunde gehen.‹ Ich dachte sofort: Irgendwas stimmt da nicht, Weib. Und wie es mich nachts gerissen hat. Ich hab die Fufaika übergeworfen, angespannt und wollte fahren. Meine Frau ist aufgewacht, hat ordentlich Lärm gemacht, eine Furie ist sie, ich soll mich ausziehen, das Pferd ausspannen, ich aber sage: ›Wasja ist dort erfroren. Ich fahre.‹ Hab ihr eine runtergehauen. Sie sagt: ›Du fährst zu einem Weib.‹ Als hätte ich sonst keine Zeit, zu einem Weib zu fahren … Gleich, Wasja, sind wir zu Hause.«
    Sascha lag seitlich auf dem Schlitten, wie in der Kindheit, und der Schlitten flog leicht und sanft, und das Pferd beeilte sich nach Hause zu kommen, es spürte das Dorf.
    Als Sascha Chomut genauer anschaute, bemerkte er, dass er tatsächlich nur eine Fufaika über den nackten Körper geworfen hatte; während sie den Sarg hinauflegten, war sie aufgegangen und die nackte Brust war zu sehen. Ein scharfer, beißender Wind blies immer wieder dem Schlitten entgegen, verlor sich aber bald im Wald. Chomut machte das nichts aus. Er lenkte, auf Knien, mühelos und ungestüm.
    Bei den Alten leuchteten die Fenster. Die Großmutter empfing sie auf der Schwelle. Sie hatte die Tür geöffnet. Sie fragte Chomut: »Wie, hat dich Wasja gerufen? Er hat dich immer zu jedem Blödsinn verleitet. Heute hat er dich das erste Mal für eine wichtige Sache gebraucht, der Sohn …«
    Die Mutter begann zu flennen. Die Großmutter fing mit hoher Stimme zu klagen an, durchdringend und bitter, wie schwarze Erde.
    Der Großvater kam heraus, großgewachsen, in einem Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln.
    »Seid ihr da, Sankya? Also, kommt schon rein.«

Kapitel 5
    In seinem langsam aus dem Vernebelung erwachenden Gehirn tauchte der Gedanke an eine seit Jahren sich bewahrheitende Weisheit auf – der Schlaf des Alkoholikers ist stark, aber kurz. Stark. Doch kurz.
    Sascha öffnete das linke Auge. Ja, auf der Straße war es noch dunkel.
    »Schlaf-lo-sig-keit«, brachte Sascha silbenweise flüsternd hervor.
    Er erwachte in seinem Bett.
    Am Boden zwei Matratzen. Auf den Matratzen lagen – mit Decken bedeckt – Wenja und Ljoschka. Ihre Gesichter schaute Sascha nicht an.
    »Und Negativ, wo ist der? Der ist ja offenbar nach Hause gegangen? … Ja, ja, der ging …«
    Sascha dreht sich zur Wand, zog die Decke über den Kopf. Aufstehen wollte er nicht. Einschlafen war aber auch nicht möglich.
    Die Augen fühlten

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