Sanssouci
aber Ordnung machte, lief sie ins Bad und zog sich aus. Unter den benutzten Handtüchern kam eine DVD zum Vorschein, die dort seit einigen Tagen herumlag. In Merles Kopf ging ein Wettstreit vonstatten. Sie hätte sich gern jetzt so auf den Computerstuhl gesetzt und die DVD geschaut, vielleicht im Schnelldurchlauf, aber sie hatte nur noch eineinhalb Stunden, bis Lars kam. Sie nahm die DVD, um sie in das Fach im Bücherschrank zu legen, betrachtete noch einmal die Bilder auf der Verpackung und fand sie schön. Es ging von alldem ein Wohlgefühl aus, so daß sie sich einige Minuten ins Bad setzte, die Zeit mit den Bildern genoß und spürte, daß sie bald ausreichend getrunken haben würde.
So beschäftigte sich Merle mit allerlei Kleinigkeiten, bis schließlich gegen sieben Uhr Lars Berlow anrief und fragte, ob sie sich nicht gleich mit dem Fahrrad in der Stadt treffen könnten, zum Beispiel an der Großen Fontäne, er schaffe es nicht rechtzeitig zu ihr. Nein, mein Lieber, sagte sie, das mache ihr nichts aus, sie komme dann also selbst mit dem Fahrrad und freue sich schon sehr. Sie habe ihn so lieb. Sie laufe die ganze Zeit durch die Wohnung und denke an ihn. Sie sei sehr glücklich.
Nun hatte Merle Johansson also noch etwa eine Dreiviertelstunde Zeit. Jetzt fiel ihr ein, daß sie eigentlich alles, was wichtig war, bislang vergessen hatte. Sie lief ins Wohnzimmer, holte die Handschellen hervor, probierte sie, ließ sie einrasten und öffnete sie wieder, dann versuchte sie, ob sie sich am Buchregal anbringen ließen. Es ging mühelos. Also nahm sie die Handschellen, legte sie in das Bücherschrankfach, den Schlüssel daneben, anschließend kontrollierte sie das Fach auf Vollständigkeit der darin befindlichen Gegenstände, denn auf Ordnung innerhalb dieses Fachs achtete Merle Johansson stets, damit alles praktischerweise griffbereit war, wenn es benötigt wurde. Sie vergaß auch nicht, das Sektglas auf den Schreibtisch zu stellen. Dann überlegte sie sich, ob sie den Sekt jetzt schon öffnen sollte. Dann konnte es nachher schneller gehen.
Sie zog die roten Vorhänge zu, ging ins Bad, sah dort die DVD liegen (sie hatte sie wieder vergessen!), ging zurück ins Wohnzimmer und stellte sie ins Regal zu den anderen Sachen, dann ging sie wieder ins Bad und kämmte sich einige Minuten. Anschließend begann sie, ihr Gebiß zu betrachten. Sie betrachtete es genau von allen Seiten und nahm dann die kleine Zahnzwischenraumbürste. Sie reinigte testweise drei oder vier Zahnzwischenräume und roch an der Bürste, ohne einen Rückstand festzustellen. Man roch nichts. Merle Johansson war sauber und rein. Anschließend säuberte sie dennoch noch einmal prophylaktisch einzeln und mit Sorgfalt jeden einzelnen Zahnzwischenraum, zog Bluse und Rock an, zog die Bluse wieder aus, warf sie auf den Wäschehaufen, nahm eineneue, zog diese an, betrachtete sich im Spiegel, dann ließ sie ihren Blick über das Zimmer schweifen, nahm ihren Schlüssel, verließ die Wohnung und grüßte sehr freundlich den unter ihr wohnenden Nachbarn, der gerade mit einer Edeka-Tüte nach Hause kam.
Lars saß schon bei den Echobänken und schaute den kleinen Kindern zu, wie sie den Enten nachliefen. Mütter und Väter mit Kinderwagen komplettierten neben einigen Liebespaaren und den üblichen Touristen die abendliche Sommerszene. Merle setzte sich zu ihrem Freund und küßte ihn stürmisch.
An diesem Abend traf sich so gut wie jeder an der Großen Fontäne im Park Sanssouci. Maja, Lee, Loredana und Aische bildeten ihren allabendlichen Reigen, Anastasia Hofmann war auch da, sie trug eine sagenhaft tief geschnittene Jeans und sah atemberaubend aus. Kurz am Bildrand erschien Grigorij und war sogleich wieder verschwunden. Merle wunderte sich darüber, daß sie diesen Rothaarigen so gut wie jedesmal in Sanssouci antraf. Sie hatte keine Ahnung, was er hier machte.
Auf dem Mauerrand der Fontäne saßen Nils Ebert und die beiden Meurers, ließen ihre Füße ins Wasser baumeln und unterhielten sich. Die Meurers kannte Merle nur sehr entfernt. Sie hatte einmal erlebt, wie sich Heike Meurer mit voller Absicht von drei Jungs auf der Straße hatte zusammenschlagen lassen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Sie hatten ihr immer wieder ins Gesicht und in den Unterleib getreten. Das war eindrucksvoll gewesen. Merle wußte aus eigener Erfahrung, was das bedeutete. So jemand wie Heike war zu allem fähig. Wie sie.
Lars bemerkte die Gruppe nicht.
Später fuhren sie zur
Weitere Kostenlose Bücher