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Santa Clause - Eine Unglaubliche Geschichte

Santa Clause - Eine Unglaubliche Geschichte

Titel: Santa Clause - Eine Unglaubliche Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D.Vinge
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wieder, beobachtete die aufgewirbelten Schneeflocken und dachte, es sieht so echt aus, als würde ich durch ein Fenster in eine andere Welt blicken . . .
     
    Und in dieser anderen Welt, in der vor Jahrhunderten Claus und Anya als Bauern gelebt hatten, gab es nun eine Stadt, die New York hieß und auf einer Insel stand, die Manhattan genannt wurde. Der Schnee in dieser Welt war echt und bitterkalt und wirbelte an einem Stadthaus vorbei, dessen im Kolonialstil errichtete Fassade jener in der Kugel erstaunlich ähnlich war. Dieses elegante Stadthaus stand in einer stillen Nebenstraße der East Eighties, genau auf der Grenze von Upper East Side, wo sich die reichsten Bürger von New York ihre beschaulichen Villen gebaut hatten, und einem der ärmsten Stadtbezirke von New York. An die Tatsache, daß nur um die Ecke Familien wohnten, die nicht wußten, wo sie ihre nächste Mahlzeit hernehmen sollten, dachten die beiden wohlhabenden Jungen am allerwenigsten, die gerade vom Kino nach Hause gingen, warm angezogen mit gesteppten Daunenjacken, Wollschals und Wollmützen. Ihr Atem war wie weißer Dampf in der Abendluft, als der eine Junge sagte: »Warum kommst du nicht noch mit zu mir?«
    Sein Freund schüttelte den Kopf. »Ich muß pünktlich zum Essen zu Hause sein. Meine Mutter bringt mich um, wenn ich mich verspäte.«
    »Du kannst bei mir essen. Nun komm schon«, meinte der andere Junge achselzuckend und sah seinen Freund mit hochgezogenen Augenbrauen an. Der andere Junge grinste und erschauerte dann, als der aufkommende Wind seine frostigen Arme um ihn legte. Er nickte rasch, und die beiden eilten weiter die Straße hinunter zu der Wohnung des Freundes.
    Sie kamen an der mit Brettern verschalten Fassade eines verfallenen Mietshauses vorbei, das renoviert werden sollte, und gönnten den leeren Fensterhöhlen keinen zweiten Blick. Sie beachteten nicht die kleine, stumme Gestalt, die im Schatten des Hauseingangs kauerte.
    Als sie vorbei waren, trat ein kleinerer Junge von ungefähr zehn Jahren aus dem Hauseingang und sah den beiden neidisch nach, die sich auf der Straße entfernten. Er schlug den Kragen seiner Jacke in die Höhe — einer zerrissenen und abgeschabten Lederjacke, die ihm ein paar Nummern zu groß war und die er in einer Abfalltonne gefunden hatte. Zitternd vor Kälte, als ein Windstoß den Schnee vor ihm aufwirbelte, schob er seine von Frost geröteten Hände in die Taschen. Er besaß keine Handschuhe.
    Sein Name war Joe — Joe war alles, was er sagte, wenn ihn jemand nach seinem Namen fragte. Er hatte seinen Vater nie gekannt, und seine Mutter war vor einigen Jahren gestorben. Als die Leute von der Wohlfahrt ihn in ein Waisenhaus stecken wollten, war er weggelaufen. Nun suchte er sich als Obdachloser durchzuschlagen, weil er ein Leben nach seinen Vorstellungen wollte und nicht nach dem Willen von irgendwelchen Leuten, denen er gleichgültig war.
    Sich allein durchschlagen zu müssen, ohne Heim und ohne Familie, ohne die primitivste Unterkunft und die regelmäßigen Mahlzeiten einer Fürsorgeeinrichtung, war selbst für einen Erwachsenen ein erschreckendes Wagnis. Ein zehnjähriger Junge konnte sich nicht einmal erlauben, Schwäche vor anderen Leuten zu zeigen, denn da waren immer Ältere, Größere und Stärkere, die nur darauf warteten, einen Jungen auszubeuten, der sich nicht wehren konnte. Joe hatte rasch gelernt, seine Gefühle zu verbergen und jedem mit Mißtrauen zu begegnen. Für ihn war die Welt ein Dschungel, in dem nur Feinde und Gefahren lauerten. Doch in der rauhen Schale eines Jungen, der älter wirkte, als er es den Jahren nach war, steckte immer noch ein Kind, das sich manchmal nachts, gegen die Kälte in Zeitungspapier eingewickelt, in den Schlaf weinte und von der Stimme seiner Mutter träumte, die ihn mit ihren Armen umschlang.
    Joe seufzte, als er die beiden älteren Jungen am Ende des Häuserblocks die Vortreppe zu einem gepflegten Backsteinhaus hinaufgehen sah. Er stellte sich die heiße Mahlzeit vor, die die beiden jetzt in einem hellen, warmen Eßzimmer erwartete, und malte sich in seiner Phantasie alle seine Lieblingsgerichte aus, die dampfend auf den Tisch kamen, bis er sie fast schmecken konnte . . . und dann nahm er den halben Kaugummi — seinen letzten Proviant — aus der Tasche, steckte ihn in den Mund und lutschte aus ihm heraus, was er an Geschmack hergeben konnte.
    Hätte er gewußt, daß er beobachtet wurde, hätte er den beiden Jungen bestimmt nicht mit so sehnsüchtigen

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