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Santa Clause - Eine Unglaubliche Geschichte

Santa Clause - Eine Unglaubliche Geschichte

Titel: Santa Clause - Eine Unglaubliche Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D.Vinge
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Blicken nachgeschaut. Er ahnte nicht, daß in dem eleganten weißen Stadthaus gegenüber jemand hinter dem Vorhang in einem hellerleuchteten Zimmer stand und auf ihn hinunterblickte.
    Es war ein kleines Mädchen, das ihn vom Erkerfenster seiner Wohnung aus beobachtete. Es hieß Cornelia und schob vorsichtig den Vorhang zur Seite, damit es den zerlumpten, frierenden Jungen besser sehen konnte. Er machte einen so verlorenen und traurigen Eindruck, wie er da auf der verschneiten Straße zwei älteren Jungen nachblickte. Cornelia wußte sehr wohl, daß arme Leute in der Nähe ihres Hauses wohnten, und sie hatte immer ein schlechtes Gewissen, wenn sie eilig an den Kindern vorbeigeführt wurde, die die abgelegten Kleider anderer Leute trugen und mit zerbrochenen, weggeworfenen Spielsachen spielten, während ihre Schränke überquollen von Kleidern nach der letzten Mode und ihre Regale vollgestopft waren mit Spielsachen. Sie hatte Miss Tucker, ihre Kinderschwester, gefragt, ob sie nicht etwas von ihren Kleidern und Spielsachen an die armen Kinder verschenken dürfte. Doch Miss Tucker hatte sie nur scharf angesehen und ihr gesagt, sie sei undankbar und verdiene die Güte und Großzügigkeit ihres Stiefonkels nicht.
    Während Cornelia den Jungen beobachtete, blickte er plötzlich an ihrem Haus empor und entdeckte hinter dem Erkerfenster ihr von der Straßenlaterne nur schwach erhelltes Gesicht. Er sah sie mit seinen dunklen, wachsamen Augen an und hielt einen langen Moment, der sich endlos auszudehnen schien, ihren Blick fest. Cornelia spürte ein Prickeln, als wäre sie mit einer elektrischen Leitung in Berührung gekommen. Nach diesem Blick schien sie alles über ihn zu wissen: daß er kein Zuhause hatte, keine Eltern und niemand, der sich um ihn kümmerte. Ihre Hände klammerten sich an den Saum des schweren Vorhangs. Sie spürte plötzlich, wie das Mitleid ihr die Tränen in die Augen trieb. Sie wollte ihm etwas zurufen, hinauslaufen auf die Straße, ihn nach seinem Namen fragen und ihm den eigenen nennen . . ., weil sie wußte, wie einsam er sein mußte.
    Denn sie waren sich so ähnlich. Auch sie hatte niemand, der sich wirklich um sie kümmerte. Ihre Eltern, die sie sehr geliebt hatten, waren tot; und nun wohnte sie bei ihrem Stiefonkel, der von ihrer Existenz kaum Notiz nahm. Miss Tucker, eine säuerliche, schmallippige Gouvernante, sorgte umsichtig und kalt wie ein Roboter für ihre Bedürfnisse. Cornelia blickte an ihrem schlichten, aber sündhaft teuren rot-weißen Kleid hinunter, das sie tragen mußte, obwohl sie am liebsten nur in Bluejeans herumgelaufen wäre. Sie bekam alles, was gut und teuer war, und jedes Spielzeug, das neu auf dem Markt erschien — und blieb doch eine Waise, die sich nachts in den Schlaf weinte und von ihrer Mutter träumte, die sie in ihren Armen hielt.
    Cornelia seufzte, ließ die Vorhänge wieder fallen und blickte widerwillig zurück ins Wohnzimmer, als sie die hohe, nasale Stimme von Miss Tucker hörte:
    »Wirklich, Cornelia, du solltest dich schämen! Eine Drei in Geographie! Ich möchte nicht wissen, was dein Stiefonkel dazu sagt.«
    »Gar nichts wird er sagen«, sagte Cornelia mit leisem Trotz. »Er sieht sich ja nicht mal meine Zeugnisse an. Wahrscheinlich weiß er nicht einmal, in welche Klasse ich gehe.« Sie wischte sich die rötlichen Fransen ihrer Ponyfrisur aus den Augen.
    »Junge Dame, so etwas will ich nicht gehört haben!« Miss Tucker sah von ihrer Häkelarbeit hoch und entdeckte Cornelia am Fenster. »Cornelia, geh sofort vom Fenster weg! Dort holst du dir nur einen Schnupfen!« Sie stand auf und warf Garn und Häkelnadel in ihren Handarbeitskorb. »Komm lieber mit zum Abendessen, ehe die Köchin schlechte Laune bekommt und sich beklagt, daß die Suppe kalt wird.« Cornelia, die Miss Tuckers Appetit viel zu gut kannte, dachte verdrossen. Sie treibt mich nur an den Abendbrottisch, weil sonst ihr eigenes Essen kalt würde. Denn Miss Tucker hatte noch nie auf die Launen der Köchin Rücksicht genommen oder darauf, ob andere etwas zu essen bekamen. Sie ging schon voraus durch die Tür in das angrenzende Speisezimmer, und bei jedem Schritt knisterte der gestärkte Stoff ihres strengen, hochgeschlossenen braunen Kleides.
    Cornelia wandte sich vom Fenster ab und sah sich in dem warmen, hellen Raum mit der hohen Decke um. Sie betrachtete die Antiquitäten und Gemälde, die teuren Teppiche und kostbaren Kunstgegenstände, als hätte sie das alles noch nie gesehen. Sie starrte

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