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Santiago liegt gleich um die Ecke

Santiago liegt gleich um die Ecke

Titel: Santiago liegt gleich um die Ecke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Albus
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absolvieren soll. Da kommt die Aushilfs-Dame aus der Küche und stellt mir ein Schälchen voller Instant-Brühe vor die Nase. Sie hat tatsächlich alle Schränke auf den Kopf gestellt und ganz tief hinten in irgendeinem davon doch noch etwas gefunden. Ich trinke fast zwei Liter von dem Zeug. Mein Küchen-Engel strahlt wie die aufgehende Sonne. Und ich spüre, wie mich das Leben ganz langsam wieder in den Arm nimmt.
    Abends gucke ich noch ein wenig Fernsehen. Es läuft ein Tatort mit Kommissarin Lena Odenthal. Witzig: Odenthal liegt morgen auf meinem Weg. Nicht die Polizistin, sondern der Ort. Ich sehe das als gutes Zeichen. Schon um halb elf bin ich todmüde und gehe ins Bett. Schlafe sofort ein.

Hölle, Dom und Zeitmaschine: Gut, dass ich das freiwillig mache
Ostermontag, 13. April 2009 – Altenberg bis Köln
    Diesmal bricht die Kinder-Stampede über mir um Viertel nach acht aus. Gut, den Wecker habe ich nämlich überhört … Nachdem ich unter der Dusche halbwegs wieder zu Bewusstsein gekommen bin, fesselt jedoch eine ganz andere Tatsache: Ich bin soeben ins Bad gegangen, ohne vor Schmerzen zu brüllen! Ich werde gehen können ! Das verleiht Kräfte: Ich drücke die Duschgel-Flasche aus, bis Luft kommt. Egal: Durch die Ausmusterungsaktion ist mein Rucksack jetzt so leicht, dass sogar Kate Moss ihn tragen könnte! Zumindest hinter sich herschleifen. Und es gibt noch einen Grund zu feiern: Zum ersten Mal habe ich mein Gepäck im ersten Anlauf vollständig beisammen! Zur Würdigung dieses Augenblicks hänge ich mich eine gefühlte Minute an den Wasserhahn.
    Draußen atme ich erstmal tief durch. Es ist nebelig. Eine ältere Dame kommt vorbei und fragt, ob sie ein Foto von mir machen dürfe. Ich werfe mich in Positur, aber sie bittet mich, mich umzudrehen, weil mein Rucksack »von hinten so interessant aussieht«. Anschließend setze ich noch einmal Kurs auf das Gotteshaus. Ich hoffe auf ein romantisches Dom-im-Dunst-Foto à la Caspar David Friedrich. Ich bin noch nicht ganz da, da fällt mir ein Radfahrer auf, der direkt auf mich zuhält. Entweder ein Irrer oder ein Kollege, denke ich, und behalte recht: Der Mann ist komplett schwarz gewandet, hat graue Haare und wirkt sachlich wie ein politischer Redakteur beim Deutschlandfunk. Jetzt erst erkenne ich das kleine
Jakobsweg-Symbol an seiner Lenkertasche. Ein Pilger! Alexander ist vor ein paar Jahren bis Santiago gekommen. Die ganzen 2.800 Kilometer! Zwar mit dem Rad, aber trotzdem: Alle Achtung! Wir tauschen ein wenig Pilgerlatein aus, Alex gibt mir ein paar Tipps für die kommenden Strecken. Neuerburg: Toll! Bad Münstereifel: Nicht verpassen! Die Etappen nach Trier sind dagegen wohl so etwas wie das schwarze Loch des Jakobswegs; in Lothringen sei er nicht einmal ausgeschildert. So weit will ich zwar gar nicht gehen. »Vielleicht nächstes Jahr«, sage ich, ehe mir klar wird, was ich da von mir gebe. Na prima: Vorgestern bin ich hier fast verreckt, heute mache ich schon Pläne für 2010 – dabei weiß ich kaum, ob ich heute überhaupt Köln erreiche!
    Danach läuft es aber erstmal gut: Kurz hinter Altenberg fliege ich nur so dahin. Bis Odenthal sind es gerade drei Kilometer, mein Pilgerführer hat den Schwierigkeitsgrad »leicht« rausgegeben. Trotzdem staune ich über mich selbst. Pilger 2.0! Wieder geht es durch Wälder und ein verzaubertes Flusstal – diesmal ist es die Dhünn, die mich begleitet; den nächsten Ort erreiche ich, noch bevor ich »Heiligemuttergottes« sagen kann. Nur der Dunst will sich nicht so recht heben. Schloss Strauweiler, das ganz in der Nähe auf einer kleinen Anhöhe liegen soll, kann ich daher nicht entdecken. Aber St. Pankratius, eine der ältesten Kirchen des Bergischen Landes, ist im Dunst gut zu erkennen. Der Bau ist aber auch in einem scheußlichen Rosa gestrichen! Vielleicht gibt’s hier öfter Nebel. Durch den Regen heute Nacht ist der Weg überdies matschig wie das Amazonasufer. Aber den Bäumen scheint es zu bekommen: Sie explodieren regelrecht vor frischem Laub. Das lockt natürlich auch andere Menschen raus: Kurz vor Schildgen treffe ich Leute in brandneuem Outdoor-Outfit, die an einer Schlammpfütze
haltmachen und umkehren. Ich patsche fröhlich durch – da habe ich nun wirklich schlimmere Stellen gemeistert! Am Ortseingang finde ich etwas später ein großes Werbeschild

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