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Santiago liegt gleich um die Ecke

Santiago liegt gleich um die Ecke

Titel: Santiago liegt gleich um die Ecke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Albus
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reisen, um etwas über die Heimat zu erfahren. Ich nehme mir vor, demnächst etwas genauer hinzusehen.

Wie man Heino die Hand schüttelt
Samstag, 18. April 2009 – Bad Münstereifel
    Trotz Heizung sind meine Schuhe immer noch so nass wie zwei fröhliche Biber. Mit dem angeborenen Equipment sieht’s ähnlich aus: Links hat sich die Haut über eine etwa drei Euromünzen große Fläche vom Fleisch gelöst. Noch ist nichts entzündet. Trotzdem: Ich habe jetzt zwei Blasen unter demselben Fuß — super . Noch ein Ruhetag also – gerade mal sechs Tage nach der letzten Pause in Altenberg. Peinlich, aber sicher ist sicher. Ich sprühe mir einen halben Liter meines neuen Desinfektionssprays unter den Fuß, gönne mir anschließend ein kleines Frühstück in einem der vielen Cafés im Ort und kaufe mir eine kleine Bürste. Letztere hatte ich zu Hause nicht wichtig genug gefunden; inzwischen habe ich allerdings Grund zu der Annahme, dass die Leute demnächst ihre Kinder vor mir verstecken, wenn ich weiter ungekämmt herumlaufe. Später verbringe ich quiekend vor Glück eine gute halbe Stunde unter der heißen Dusche. Meine Vorgänger haben auch hier einiges zurückgelassen, unter anderem ein Duschgel mit Magnolienduft – seither bin ich unsterblicher Magnoliaceae-Fan! Dann mache ich die übliche Wäsche- und Sockensuppe – endlich wieder mit heißem Wasser! – und lege mich mit meiner bereits etwas zerzausten Zeitung ins Bett. Lange bleiben wir nicht Freunde: Ich nicke ein und wache erst gegen zwei Uhr nachmittags wieder auf, lege das Geld für die zweite Übernachtung auf das Bett und schleppe mich runter.
    Bad Münstereifel gefällt mir immer besser — und dem Städtchen geht es augenscheinlich sehr gut: Die
Häuser und Sträßchen wirken, als würden sie jeden Morgen vor Sonnenaufgang frisch gestrichen. Das Rathaus sieht sogar aus, als wäre es mit frischem Blut angemalt; in der Hauptstraße drängelt sich ein Fachwerk-Kleinod an das andere. In der Stiftskirche soll es einiges zu besichtigen geben, aber irgendwie habe ich darauf keine Lust; mir fällt nur auf, dass man ein paar Stufen hinabsteigen muss, um zum Eingang zu gelangen – ungewöhnlich für einen Bau, der dem Kontakt nach oben dienen soll. Später klettere ich ein paar Stufen zur Burg hinauf und erfreue mich in aller Ruhe an dem Anblick des friedlich an den Hang gewürfelten Örtchens. Weitere Kreise ziehe ich an diesem Tag nicht. Viel später erfahre ich, dass ganz in der Nähe auch das Teleskop Effelsberg steht — bis Anno Domini 2000 immerhin das größte bewegliche Radioteleskop der Erde: Astronomen haben damit Pulsare und Supernova-Überreste entdeckt und sogar Wasser in einer weit entfernten Galaxis nachgewiesen. Schade, das hätte ich mir gerne angesehen, aber davon steht in meinem Pilgerführer natürlich kein Wort.

    Auf dem Weg zurück ins Hotel entdecke ich im Fenster eines Cafés zwei Schaufensterpuppen, die wie Heino und Hannelore verkleidet sind. Vielleicht ein schönes Fotomotiv … Im Laden fühle ich mich allerdings
plötzlich wie in einen Thriller versetzt – in eine dieser Szenen, in der der Held endlich den Unterschlupf des psychotischen Killers aufspürt und die Wände über und über mit Fotos und Zeitungsartikeln über das nächste Opfer zugekleistert vorfindet. Überall Heino-Fotos – sogar eins mit ihm und Mick Jagger! J. R. Ewing … He, ist das Michael Jackson? Und Plattencover, so dicht an dicht, dass man die Wand kaum sieht; an einer hängen sogar Vitrinen voller goldener Schallplatten. Donnerwetter – der Besitzer muss ein echter Fan sein!
    Ich frage eine Kellnerin, was das alles bedeutet. »Weil das das Café von meinem Chef ist …«, sagt sie und wendet sich von mir ab, als hätte ich eben Haschischplätzchen bestellt. Ich verstehe nicht, was sie meint, finde mit etwas Glück aber einen freien Platz. Als die Kellnerin meinen Cappuccino vor mir abstellt, zeigt sie in Richtung Küche: »Da hinten sitzt er übrigens. « Kurz darauf breitet sich eine Welle der Unruhe durch den Laden aus, als hätte jemand Fischfutter in ein Aquarium geworfen. Ich registriere drei Dinge: Erstens: Mein Gott, Heino! Es gibt ihn wirklich ! Zweitens: Er steht kaum zehn Meter neben mir, blaue Hose, blaues Sakko, blaues Hemd, blaue

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