Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Santiago, Santiago

Santiago, Santiago

Titel: Santiago, Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Aebli
Vom Netzwerk:
Essenspreis nicht durchaus einträglich sei und bei der täglich wechselnden Belegung des Gasthauses vielleicht öfter einmal vorkomme.
Aber das leichte Nachtessen und die Ruhe des Célétales läßt uns vorzüglich schlafen, und am Morgen sind wir mit der Wirtin wieder versöhnt.
     

Stilles Haus im Regen
13. Tag: Von Brengues nach Saint-Cirq-Lapopie
 
Am frühen Morgen ist die Talstraße noch verkehrsfrei, und wir nehmen uns vor, einige Kilometer auf ihr auswärts zu marschieren. Links und rechts begleiten uns die hohen Kalkfelsen der Causses. Im Talgrund zieht der Célé in großen Schleifen ruhig dahin. Nur dann und wann beschleunigt er den Lauf und bildet eine kleine Stromschnelle. Marcilhac ist eines der kleinen Städtchen an seinem Ufer: zwei Straßen, drei Häuserreihen, eine ehemalige Benediktinerabtei, die sich heute allerdings »en ruines« befindet. Ein Kanu müßte man hier mieten. Das wäre einmal eine Abwechslung in unserem marschierenden Alltag. Denn es gibt sie hier wirklich zu mieten, und man müßte sie am Ende der Fahrt nicht einmal zurücktransportieren. Aber seit ich das letzte Mal Kanu gefahren bin, sind viele Jahre verstrichen, und das war auf dem Zürichsee und nicht auf einem Fluß wie dem Célé, mit seinen kleinen Stromschnellen. Verena ist zwar am Rhein aufgewachsen, und sie kennt Stromschnellen besser als ich. Aber gerade darum will sie gar nichts von dem Abenteuer wissen. Ich versuche mir vorzustellen, wie man sich bei einer solchen Schnelle verhalten müßte. Rein gedanklich ist mir alles klar, aber ob ich es auch täte, wenn die Situation im wahren Sinne des Wortes »im Flusse« wäre, vermag ich auch nicht so sicher zu sagen. Und wie ich mir schließlich überlege, was es alles zu trocknen gäbe, wenn wir unsere Rucksäcke und die Photoausrüstung aus dem Wasser ziehen müßten, schwindet auch meine Unternehmungslust. Also weiter zu Fuß.
Saint-Cirq-Lapopie liegt nicht am Célé, sondern über dem Lot. Wir müssen also über das dazwischenliegende Plateau zum Lot hinüberwechseln. Bei der nächsten Gelegenheit steigen wir auf einem Saumweg durch die Falaises auf. Das Wetter hat sich verschlechtert, und Regen liegt in der Luft. Aber der Weg ist nicht eingewachsen, dazu ist der Kalkboden zu mager.
Die Höhen der Causses haben einen eigenartigen Reiz: einsame Weiden und mächtige alleinstehende Eichen. Weit und breit kein Mensch und kein Tier.
Es wird gleich regnen. Die Vögel schweigen, es regt sich kein Hauch. Auch wir wandern wortlos vorwärts. Die Wegspur verliert sich. Da die Sonne nicht zu sehen ist, wird uns die Richtung, in der wir weitergehen sollen, zum Problem. Wir müssen den Kompaß hervorholen, um die Richtung zu bestimmen. Das hilft, wir kommen wieder auf ein Sträßchen. In großen Abständen ein einsamer Bauernhof.
Es hat nun zu regnen begonnen. Wir gehen vorerst weiter. Die Weiden sind jetzt mit dichtem Gebüsch überwachsen. Der Regen wird stärker. Wir sollten irgendwo unterstehen. Da taucht am Wegrand ein kleines, ganz mit Efeu überwachsenes Bauernhaus auf. Ich gehe vorsichtig darum herum: kein Laut und keine Bewegung. Das Haus steht leer. Ich kann die Tür aufstoßen. Sie führt in einen kahlen Raum. Auf einem Sims stehen leere Weinflaschen, unter dem Kaminhut liegen Zigarettenpackungen in der Asche. Kalk rieselt von den Wänden, und eine aufgeschreckte Fledermaus fliegt durch ein kleines zerbrochenes Fenster hinaus. Sonst ist es ganz still.
Verena ist das Haus nicht ganz geheuer. Aber draußen regnet es inzwischen so stark, daß auch sie froh ist, hier im Trockenen zu sein. Ich lege ein Brett über zwei dicke Holzpflöcke, darauf verzehren wir unser Mittagessen, einen Apfel, Thunfisch und Brot, dazu ein Getränk.
Mit der Zeit läßt der Regen nach. Wir können weitergehen. Nach etwa zwei Stunden senkt sich der Weg in ein kleines Tal, und wir sehen vor uns in der Ebene einen breiten Fluß, den Lot. Zeichen der Zivilisation tauchen auf: einige Äcker und Gärten im Talgrund, dann das erste armselige Haus, zwischen Autowracks.
Das Sträßchen wird nun breiter. Bald sind wir bei den ersten Häusern von Tour de Faure, und auf der anderen Talseite erkennen wir auf einem Felssporn Saint-Cirq, unser Ziel. Wir sind fast 30 Kilometer gegangen, und Verena schmerzt eine Sehne. Darum schenken wir uns den Aufstieg, der noch einmal eine Stunde gedauert hätte. Das Taxi tut’s in fünf Minuten.
     

Stadt der Ketzer, Stadt der Bankiers
14. Tag: Von Saint-Cirq-Lapopie nach

Weitere Kostenlose Bücher