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Santiago, Santiago

Santiago, Santiago

Titel: Santiago, Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Aebli
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Cahors
 
Romantisch oder kitschig benannt, »La Pellissaria« ist ein angenehmes kleines Hotel. Es klebt, wie fast alle Häuser von Saint-Cirq, an einem steilen und felsigen Abhang. Man sieht tief unten den Lot breit und ruhig dahinfließen. Das Städtchen zieht sich den Hang hinauf; auf einem Felssporn ragt eine gotische Kirche zum Himmel, und noch höher ahnt man die Ruinen einer Festung. Die Gassen sind eng und steil, ein Auto kommt hier nicht durch. Die Straße steigt im Bogen um Saint Cirq in die Höhe.
Im Jahre 1880 hat Saint-Cirq noch 700 Einwohner gehabt. Heute ist es ein Bilderbuchstädtchen wie Rothenburg ob der Tauber oder Reichenweier im Elsaß. Jetzt am Morgen früh sind die Touristen allerdings noch nicht da, und man stellt sich vor, wie es in früheren Zeiten ausgesehen hat. Es sind fast alles spätgotische Häuser im Fachwerkbau, zweistöckig. Die Läden sind in die gotischen Torbogen eingebaut, mit Tür und einem Ladenbrett, das man herabklappen konnte, um die Waren auszulegen. Es gibt viel Blumen, und die Leitungsdrähte sind hier einmal in den Boden gelegt, statt daß sie von Haus zu Haus und quer über die Gassen hängen.
Die Kirche ist innen riesig und leer, ein einziges hohes, gotisches Schiff, nur einzelne Figuren stehen verloren herum. Das scheint mit der bewegten religiösen Geschichte der Stadt zusammenzuhängen. Die eigenwilligen Bergler sind mit Rom nicht immer zurechtgekommen, haben es mit den Katharern und später mit den Protestanten gehalten und sind dafür bestraft worden. Sie vermochten ihre Kirche seither nie mehr mit lebendigem Leben zu füllen. Auch die Französische Revolution mag hier mitgespielt haben. Der Burg ist es nicht besser gegangen: 1580 sind ihre letzten Bastionen niedergerissen worden. Der Blick von dem Felsenzacken über dem Lot talauf und talab bleibt aber eindrücklich.
Unser nächstes Ziel ist die Stadt Cahors. Es gibt keinen bezeichneten Wanderweg dorthin, und die Karte läßt uns hier auch im Stich. Vielleicht ist es auch ein Rest innerer Unruhe, die Angst, doch nicht recht vorwärts zu kommen: jedenfalls beschließen wir, von Tour de Faure bis Cahors den Bus zu benützen.
Es ist ein sonderbares Erlebnis: Was für uns ein Tagesmarsch gewesen wäre, das ist im Bus die Sache von einer knappen Stunde. Aber die Eindrücke sind auch entsprechend dürftig und schemenhaft. Ich weiß nur noch, daß die Straße auf weite Strecken dem Lot gefolgt ist, in einem fruchtbaren Tal mit einer Kette von Dörfern. Es lebe das Wandern.
Wir kommen kurz vor Mittag in Cahors an und haben noch einen halben Tag Zeit, einiges zu besorgen und die Stadt anzusehen. Sie liegt wie Bern in einer großen Schleife des Flusses, eine mittlere Provinzstadt mit einigem Leben, auch an einem heißen Sommertag. Man glaubt kaum, daß dies im Mittelalter einer der wichtigen Finanzplätze Frankreichs und eine Universitätsstadt gewesen ist. Immerhin, die Dimensionen der Kathedrale und die befestigte Brücke über den Lot ragen weit über das Mittelmaß hinaus. Die letztere hat sieben hohe Bogen. Jeder Pfeiler hat flußaufwärts sein Vorwerk mit Schießscharten. Die drei Türme steigen vierzig Meter über den Wasserspiegel.
Kein Wunder, daß es auch hier eine Legende über die Mitwirkung des Teufels bei der Erbauung gibt. Der Baumeister soll dem Teufel seine Seele als Preis für die Mithilfe bei dem schwierigen Bau verkauft haben; schließlich soll es ihm aber gelungen sein, seine Seele mit einer List zu retten. An vielen Orten Europas ist es dem Teufel beim Brückenbau nicht besser ergangen. Man wundert sich, daß er beim Abschließen seiner Bauverträge nicht vorsichtiger geworden ist.
     

Langer Marsch auf blendendem Kalk
15. Tag: Von Cahors nach Montcuq
 
Es ist dunkel, neblig und kühl, wie wir die historische Brücke von Cahors überqueren und zur Gegenseite aufsteigen. Es geht durch einen armseligen Vorort. Oben sind einige Villen im Bau, mit hohen Drahtzäunen und »Warnung vor dem Hunde«: die Atmosphäre ist hier oben nicht besser als bei den armen Leuten unten im Tal. Dann geht es längere Zeit einer neu angelegten Autobahn entlang und durch einen Betontunnel hindurch: auch kein bereicherndes Erlebnis. Wir bedauern, diese Strecke nicht mit einem öffentlichen Verkehrsmittel rasch hinter uns gebracht zu haben. Vororte von größeren Städten sind nicht wanderfreundlich.
Schließlich führt aber ein angenehmer Weg auf einem Höhenrücken aufwärts. Der Boden ist kalkig mager, es wachsen hier

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