Santiago, Santiago
Leute.
- Il y a des familles qui s’éteignent.
Erlöschender Protestantismus? Oder erlöschendes Christentum in unserer Welt?
Beim Rundgang durchs Städtchen stoßen wir auch auf die Kathedrale des Ortes, einen mächtigen gotischen Bau. Auch hier ist der Gottesdienst noch im Gang. Man verabschiedet den Priester des Ortes, der eine andere Stelle antritt. Die Blechmusik, hier die »Clique« genannt, mit Clairons und Tambouren, wirkt mit. Die Spieler tragen weiße Hemden, rote Halstücher und schwarze Bérets. Die Kirche ist voll, und die leicht sentimentalen, aber eingängigen Melodien des 19. Jahrhunderts werden von der Gemeinde gefühlvoll und kräftig mitgesungen. Dann marschiert die »Clique« in Formation heraus, durch die Reihe der Männer hindurch, die während der Messe vor der Kirchentür gestanden und die Neuigkeiten der Woche ausgetauscht haben. Es ist klar, zugunsten welcher Kirche der oberflächliche Vergleich ausfällt. Aber so einfach sind die Dinge wohl nicht.
Dritte Verirrung und die baskische Taubenjagd
29. Tag: Von Sauveterre nach Saint-Palais
Wir müssen weiter. Die Wirtsleute im Hotel verabschieden uns sehr herzlich, und wir wandern zum Fluß hinunter, über diesen hinweg und weiter nach Süden. Nach kurzer Zeit stoßen wir auf einen zweiten Fluß, den Gave de Mauléon. Auf der anderen Seite steht ein stattliches Haus mit Walmdach. Es heißt »Lou Priou«, das ist »das Priorat« im südfranzösischen Dialekt. Der Weiler selbst heißt »L’Hopital«. Die Pilgerherberge an der Brücke wurde offensichtlich von der Zweigniederlassung eines kirchlichen Ordens, einem Priorat, unterhalten. Das ist der letzte französische Name eines kleinen Ortes, den wir auf unserer Wanderung durch Frankreich antreffen. Die nächsten Ortsnamen tönen so: Nahaberoueta, Otsabarroua, Garateix, Etchegaraya. Der Gave de Mauléon bildet hier die Grenze zum Baskenland. Wir werden es erst weit in Spanien wieder verlassen.
Auch Freund Aimeric hat Sprache und Landschaft des Baskenlandes rauher als sein Poitou empfunden. Er schreibt:
»Hec terra lingua barbara habetur, nemorosa, montuosa, pane et vino omnibusque corporalibus alimentis desolata, excepto quia malis et sicera et lacté est consolata.«
»In diesem Lande wird eine fremdartige Sprache gesprochen. Es ist waldreich und gebirgig. Brot und Wein und alle anderen Nahrungsmittel sind Mangelware, man tröstet sich mit Äpfeln, Most und Milch.«
Was uns das Baskenland wohl bringen wird? Unordnung, Terrorismus, Bedrohung? Wir sind guten Muts. Mit den Menschen der kleinen Dörfer, die wir vor uns haben, werden wir wohl zurechtkommen.
Vorderhand geht es bloß auf einen Wald zu. Aber wir werden ihn nicht so rasch vergessen. Der Anfang ist ganz harmlos. Ein bequemes Natursträßchen führt zwischen Bäumen vorwärts. Nach einigen hundert Metern zweigt ein Weg nach links ab. Wir folgen dem Sträßchen, das deutlich mehr begangen wird. Es steigt mit der Zeit steiler an, aber wir erkennen immer noch Reifenspuren. Dann endet es abrupt. Wir sehen, daß hier Autos zu wenden pflegen. Etwas abseits vom Weg steht ein sorgfältig gebauter Unterstand. Der Waldboden ist vom Unterholz gereinigt. Paare von Drähten sind von einzelnen, hohen Bäumen auf den Boden heruntergespannt. Ein Holzrahmen kann an den Drähten in den Baum hinaufgezogen werden. Daran ist eine kleine Plattform befestigt, die mit einer Schnur gekippt werden kann. Eine Feder bringt sie wieder in die waagerechte Ausgangstellung zurück. Auf einem anderen Baum entdecke ich einen kunstvoll gebauten und getarnten Jägerhochstand. Aber keine Spur von einer Waldlichtung, auf der ein Wild gejagt werden könnte.
Das Ganze ist höchst geheimnisvoll. Vor allem ist mir unklar, wozu die Holzrahmen dienen, die in die hohen Bäume hinaufgezogen werden. Bei einigen von diesen führen schmale Leitern bis in die höchsten Äste hinauf.
Verena findet das alles auch interessant, aber sie hat eine andere Sorge: Wo geht der Weg weiter? Und: wird es demnächst zu regnen beginnen? Ich lasse den Weg Weg und den Regen Regen sein, denn ich möchte das Problem der Drähte und der Rahmen lösen. Irgendwo habe ich etwas von baskischer Taubenjagd gelesen. Dann kommt mir eine Kurzgeschichte von Miguel Delibes in »Los santos inocentes« in den Sinn, in der ein armer Bursche auf die Bäume steigen, eine blinde Taube mit einer Schnur an einen Ast binden und von Zeit zu Zeit aufflattern lassen muß, um die wilden Tauben anzulocken. Jetzt habe
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