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Santiago, Santiago

Santiago, Santiago

Titel: Santiago, Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Aebli
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gewesen ist, als sie noch zu Fuß gegangen sind, und komme zum Schluß, daß dies der Weg zum Markt von Orthez gewesen sein muß. Also müßte er, wenn auch selten mehr benutzt, noch begehbar sein.
So ist es auch. Er führt abwärts in ein kleines Tobel und dann in ein Wiesental hinaus, durch kleine, saubere Weiler, noch einmal über eine Höhe, und dann zurück ins Haupttal. Inzwischen ist sogar die Sonne wieder gekommen, und wir wandern in der Mittagszeit durch die historische Vorstadt mit ihren kleinen, einstöckigen Häusern auf den Gave de Pau zu und ins mittelalterliche Orthez hinein.
     

Orthez: Hugenottenhäuser und Baskenmützen
 
So haben wir Zeit, die Stadt Orthez zu erkunden und etwas über ihre Vergangenheit zu lesen. Schon bei der Ankunft sind wir von der alten Brücke über den Gave de Pau beeindruckt gewesen: eine jener schmalen, von beiden Seiten gegen die Mitte aufsteigenden romanischen Bogenbrücken mit gemauerten Brüstungen und einem die Mitte beherrschenden Turm. Der Fluß sieht auf den ersten Blick harmlos aus, aber er gehört zu den heimtückischen Gewässern, die sich im Frühling aus den Pyrenäen in die grünen Hügel der Gascogne herunterstürzen und hier immer wieder große Verheerungen anrichten. Sein harmloses Aussehen verdankt er der Tatsache, daß er sich hier durch enge Kalkfelsen hindurchzwängt. Darum ist die Stadt auch an diesem Punkte entstanden, denn es war hier möglich, den Fluß in sicherer Höhe auf einer relativ kurzen Brücke zu überspannen. Schon im Mittelalter hat man ihre Pfeiler und den Mittelturm auf diese Felsen gemauert.

Von der Brücke zieht die Hauptgasse der mittelalterlichen Stadt an unserem Gasthof vorbei zum nördlichen Talhang hinauf. An ihrem oberen Ende stoßen wir auf einen mächtigen Bergfried. Er ist das einzige, aber imposante Überbleibsel einer großen und glanzvollen Burg. Sie gehörte einmal jenem Kreuzfahrer und Miteroberer von Jerusalem, dem wir in Arthez begegnet sind. Beim oberen Tor sind auch die Pilger auf dem Weg von Vézelay in die Stadt eingetreten und haben sie bei der Brücke unten wieder verlassen. Später hat sich die Stadt dem Fluß entlang, quer zur alten Achse, ausgedehnt.
Die Häuser, die das heutige Gesicht des Städtchens prägen, stammen allerdings aus dem 16. und dem 17. Jahrhundert. Sie haben jene hohen Fenster und die steilen Walmdächer, die uns schon in Arzacq und Maslacq aufgefallen sind. Das verleiht den Häusern bei aller Kleinheit ihren vornehmen, städtischen Charakter. Man ahnt, daß sie von selbstbewußten und tüchtigen Bürgern erbaut worden sind, von Menschen, denen weder die Rolle der Untertanen eines fernen Königs in Nordfrankreich noch die Unterordnung unter ein römisches Papsttum behagt hat.
Das ist der Hintergrund, vor dem sich der südfranzösische Kalvinismus entwickelt hat. Jeanne d’Albret, Königin von Béarn und Navarra, war niemand anders als die Mutter Heinrichs IV., eine militante Kalvinistin. Sie hat die Stadt Orthez stark gefördert. Die Häuser des 16. und 17. Jahrhunderts, die uns aufgefallen sind, stammen aus der Zeit ihrer Regierung. Die Stadt besaß damals sogar eine Universität. Um 1620 begann allerdings eine schwere Zeit für die Hugenotten, auch dieses Ortes. Sie dauerte bis zur Französischen Revolution. Ihre alte Bedeutung hat die Stadt nie mehr zurückgewonnen, aber darum ist ihr historisches Bild auch so unverfälscht. Heute hat Orthez nur noch eine kleine protestantische Gemeinde. Aber ihr gehören immer noch einige führende Familien an.
Ich wünsche mir ein Souvenir von Orthez. Ein Buch über die Geschichte des Béarn ist gut, aber nicht gerade begeisternd und eher unpersönlich. Verena hat die gute Idee: ein Béret soll ich mir kaufen, ein lokales, orthesisch-béarnesisches. Der Besitzer des Kleiderladens unterdrückt ein Lächeln, als er meinen Wunsch vernimmt, und holt die einschlägige Schachtel hervor. Béarnesische Bérets gibt es zwar nicht — es sind allemal Baskenmützen — , jedoch eine béarnesische Art, sie zu tragen. Wovon sich diese unterscheide? Natürlich von der baskischen Tragart. Damit der Unterschied deutlich markiert werden kann, müsse die Mütze einen breiten Rand haben. Sehr gut, das gibt dem Béret seine großzügige Linie. Nur allzubreit darf der Rand nicht sein, denn dem Vorbild Wagners möchte ich nicht zu nahe kommen, wir haben da einige ideologische Differenzen.
Der Handel wird abgeschlossen, und ich werde in der béarnesischen Tragart

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