Santiago, Santiago
muß.
Zum Schluß geht es noch einige Kilometer einer Bahnlinie entlang und dann über diese hinweg. Wir sind in Villafría de Burgos, einem Dorf, das heute schon Vorort ist. So streben wir der Hauptstraße zu. Da könnte eine Buslinie durchführen. In der Tat: der städtische Bus steht schon an der Endstation. Der Fahrer ist nur noch schnell in ein Lokal getaucht, um ein Glas zu genehmigen. Die wartenden Fahrgäste sind städtisch gekleidet und betrachten unsere abenteuerlichen Rucksäcke und Stöcke mit diskretem Interesse. Aber auf der Fahrt zum Stadtzentrum helfen sie uns bereitwillig herausfinden, an welcher Station wir zum Hotel Rice aussteigen müssen. Nach ausführlicher Diskussion einigen sie sich mit Stichentscheid des Fahrers für eine Station, die sich dann auch als die richtige erweist.
Jetzt müssen wir nur noch das Problem unseres Einmarsches in ein Drei-Sterne-Hotel der vornehmen Stadt Burgos lösen, dann ist wieder ein Abschnitt unserer Reise bewältigt. Wir fragen uns nämlich, ob man uns ein Zimmer geben wird, wenn wir mit unserer pittoresken Ausrüstung an den Empfang treten. Unsere knorrigen Stöcke empfinden wir als die stärkste Belastung. Aber wo sie verstecken? Im Hosenbein ist das schwierig, denn dann können wir das geschiente Bein nicht mehr biegen, und ob wir als hinkende Boten ein Zimmer bekommen, erscheint unsicher. Natürlich können wir die Stöcke in der Parkanlage gegenüber dem Hotel verstecken und sie später hineinschmuggeln. Aber wenn sie uns dort vorher gestohlen werden? Sie sind uns in den Wochen ihres Gebrauchs ans Herz gewachsen. Es wäre sehr schade...
Und die Rucksäcke? Derjenige von Verena ist modern und von fast rechtwinkliger Geometrie. Sie könnte ihn ohne weiteres wie einen Koffer tragen. Aber meiner hat ein ehrwürdiges Alter und noch nichts von kartesischer Rechtwinkligkeit: keinerlei Chance, den Koffer eines rechtschaffenen Touristen vorzutäuschen...
Oder sind wir zu kleinmütig? Warum marschieren wir nicht einfach aufrecht und stolz in die Hotelhalle und verlangen unser Doppelzimmer? Fortes fortuna adiuvat. Diese Überlegung schließt den schwierigen Entscheidungsprozeß ab. Wir werden frisch in die Halle eintreten und Sicherheit ausstrahlen, während wir an die Theke treten. Nur die zusätzliche und vermeidbare Belastung durch unsere Stöcke werden wir ausschalten und diese unter einem Baum gegenüber dem Hotel deponieren, um sie später unauffällig hereinzuholen.
Um es kurz zu machen: Wir scheinen unsere Rolle gut gespielt zu haben. Der Concierge hat nicht mit der Wimper gezuckt, und er hat uns ein ebenso gutes Zimmer gegeben wie das letzte Mal. Keinem Einwohner von Burgos ist es eingefallen, die beiden knorrigen Stecken in der Parkanlage vor dem Hotel zu entwenden. Sie haben uns bis Santiago treu gedient.
Später haben wir alles verstanden. Es bestand in Wirklichkeit in keinem Moment die Gefahr, daß man uns mit Landstreichern verwechselt hätte, denn mit Wanderausrüstung taucht kein spanischer Bettler in einem Drei-Sterne-Hotel auf. Sie hat uns unmittelbar als Mitteleuropäer gekennzeichnet.
Burgos: Generalissimo Franco, aber auch Simon von Köln
Man muß die Stadt Burgos naiv historisch betrachten, um sie zu lieben. Dann wird man sich über den Hospitalbezirk von San Juan Evangelista mit seiner einfachen Kirche und seinem von historischen Gebäuden gesäumten Platz freuen, und man wird durch die Gassen der Altstadt wandern, auf denen die Pilger von San Juan durchs Stadttor zur Kathedrale geeilt sind. Hermann Künig beschreibt es so:
Darnach ghestu über eyn brücken fyn
So komestu balde gen Burges in
Darinne findestu XXXII spital
Des kunigs spital gat vor sie alle zu mal.
Die Kathedrale gilt als eines der bedeutenden spätgotischen Monumente Spaniens. Aber sie ist in ihrem Inneren so prunkvoll überladen, daß es uns darin nicht gefallen wollte. Wenn man sich weiter erinnert, daß Burgos der Regierungssitz Francos im spanischen Bürgerkrieg war, komplizieren sich die Gefühle gegenüber dieser Stadt noch einmal.
Anderseits gibt es hier das »Haus zum Strick«, La Casa del Cordón, den Palast des Königspaares Ferdinand und Isabella, in dem sie Christoph Columbus nach seiner Rückkehr von seiner zweiten Amerikareise empfangen haben. Es ist zwar heute der Sitz einer Sparkasse und im Inneren praktisch ausgehöhlt, aber von außen sieht es, verziert durch den riesigen umlaufenden Franziskanerstrick, sehr edel aus.
Weiter gibt es das Kloster des
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