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Santiago, Santiago

Santiago, Santiago

Titel: Santiago, Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Aebli
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spanischen Hochadels »Las Huelgas« vor der Stadt. Aber auch da geraten unsere Gefühle der kunsthistorischen Bewunderung in Konflikt mit unseren republikanischen Reflexen. So haben wir es an unserem Ruhetag mit der kleinen Kirche von San Nicolas oberhalb der Kathedrale gehalten und haben uns an den Figuren des großen Altarbildes gefreut, das Simon von Köln, der Sohn eines aus dem Rheinland zugewanderten Baumeisters und Bildhauers, geschnitzt hat.
Des weiteren gilt es, über die Fortsetzung unserer Reise nachzudenken. Vor uns liegen 200 Kilometer einer Hochebene, der Meseta, und diese flößt uns einigen Respekt ein. Eine tagelange Wanderung durch eine Ebene haben wir in unserem Leben noch nie unternommen. Doch dann wird uns klar, daß dies gerade die Chance dieses Abschnittes ist. Die Berge der Alpen können wir noch manches Mal besteigen. Jetzt wollen wir einmal durch eine richtige Ebene wandern. Bei einem freundlichen alten Buchhändler kaufen wir die Karten der Provinz Kastilien-León. Karten von jenseits der Provinzgrenze bekommen wir hier nicht. Die müßten wir in Galizien suchen, erfahren wir zu unserem Erstaunen — und haben doch gemeint, den »Kantönligeist« gebe es nur in der Schweiz.
     

Die Weiten der Meseta
44. Tag: Von Burgos nach Castrojeriz
 
Der Weg, auf dem die Pilger von Burgos nach Westen gewandert sind, ist bekannt. Auf der spanischen Landeskarte ist er als »Camino Real«, als Königsweg, bezeichnet, wahrscheinlich, weil die Verantwortung für seinen Unterhalt beim König lag. Er führt über eine Distanz von 38 Kilometern nach der kleinen Stadt Castrojeriz. Vorher gibt es weder Gasthaus noch Unterkunft. Um die Anstrengung in Grenzen zu halten, beschließen wir, mit dem
Taxi acht Kilometer aus der Stadt heraus, bis Tardajos, zu fahren. Auf den folgenden 30 Kilometern gibt es dann noch zwei kleine Dörfer, sonst nichts.
Die Wanderung beginnt nicht in Hitze und Trockenheit, wie wir sie uns vorgestellt haben, sondern mit einem trüben Tag und einer Temperatur von etwa acht Grad. Es weht ein kühler Nordwind. Doch zum Anfängen ist das gerade recht. Wir werden die glühende Meseta später noch kennenlernen.
Was Meseta konkret bedeutet, wissen wir noch nicht. Tardajos und, unmittelbar dahinter, Rabé de las Calzadas, sind noch stattliche Dörfer, die zwischen kahlen Tafelbergen liegen. In ihrer Nähe steigen sorgfältig terrassierte und reich bepflanzte Gärten an, die uns ahnen lassen, wie die terrassierten Landschaften in der Vergangenheit, vor ihrem Zerfall, ausgesehen haben. Dann wird das Sträßchen zum Naturweg, und es steigt etwa 100 Meter an. Wir merken, daß wir auf die Höhe der Tafelberge kommen, zwischen denen wir uns bisher bewegt haben. Der Weg beschreibt einen letzten Bogen, und wir sind oben.
Das Bild der Landschaft ist mit einem Schlage verändert. Wir blicken über eine unermeßliche, völlig ebene Hochfläche. Vor uns ist kein einziges Haus oder Dorf sichtbar. Am waagerechten Horizont, der sich rund um uns dehnt, zähle ich genau vier Bäume. Der Weg, das sind zwei Spuren im Abstand einer Radachse, dazwischen steht trockenes Gras, einmal niedrig, stellenweise meterhoch. Er verliert sich irgendwo in der Ferne, wir können ihn nicht überblicken. Es gibt nichts, als sich ihm anzuvertrauen und vorwärts zu wandern.
Die Ebene ist aber keine Wüste. Die Felder sind bebaut. Man hat hier Getreide angepflanzt; jetzt sind es Stoppelfelder, einige wenige sind schon wieder umgebrochen. Dazwischen liegen große Steinhaufen, die offensichtlich vor langer Zeit aus den Äckern herausgeholt worden sind. Wir sehen weder einen Menschen noch ein Tier. Der einzige Laut ist das Sausen des Windes, der hier oben scharf weht.
Wir nehmen den Weg in diese endlos scheinende Ebene guten Mutes unter die Füße und versuchen uns auf die neue Art des Wanderns »einfach geradeaus« einzustellen. Dieses erweist sich keineswegs als langweilig, denn der Weg schlängelt sich in natürlichen kleinen Biegungen durch die Landschaft.
Überraschend bricht die Ebene nach einigen Kilometern in ein breites, untiefes Tal ab. Man konnte es aus der Ferne nicht sehen, weil sich die Fläche auf der anderen Seite genau auf der gleichen Höhe fortsetzt. Der Hang senkt sich in unregelmäßigen Formen, mit Buckeln und Rinnen ins Tal. Hier entdecken wir nun eine vielfältige Pflanzenwelt. Unter den Kräutern und niedrigen Sträuchern finden wir verblühten Lavendel, Disteln, ja sogar Glockenblumen und Skabiosen. Eine

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