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Saphirblau

Saphirblau

Titel: Saphirblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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dumpfes Gefühl hinter den Schläfen.
    »Hm.« Leslie beugte sich über ihre Notizen. »Warum hast du Gideon nicht gefragt, bei welcher Gelegenheit vor elf Jahren er diesen Lord Alastair schon einmal getroffen hat und von welchem Fechtkampf die Rede war?«
    »Es gibt noch viel mehr, das ich ihn nicht gefragt habe, glaub mir!«
    Leslie seufzte wieder. »Ich werde dir eine Liste machen. Du kannst dann immer wieder mal eine Frage einstreuen, wenn es strategisch gerade günstig ist und deine Hormone es erlauben.« Sie steckte den Block ein und sah zum Schultor hinüber. »Wir müssen hoch, sonst kommen wir zu spät. Ich möchte unbedingt dabei sein, wenn Raphael Bertelin das erste Mal unseren Klassenraum betritt. Der arme Junge - wahrscheinlich kommt ihm die Schuluniform vor wie eine Sträflingskluft.«
    Wir machten noch einen kleinen Umweg an James' Nische vorbei. Im morgendlichen Gedrängel fiel es nicht weiter auf, wenn ich mit ihm sprach, zumal Leslie sich so hinstellte, dass man denken konnte, ich spräche mit ihr.
    James hob sein parfümiertes Taschentuch an seine Nase und sah sich suchend um. »Wie ich sehe, hast du die ungezogene Katze dieses Mal nicht mitgebracht.«
    »Stell dir mal vor, James, ich war auf einer Soiree bei Lady Brompton«, sagte ich. »Und ich habe genauso geknickst, wie du es mir beigebracht hast.«
    »Lady Brompton, so, so«, sagte James. »Sie steht nicht unbedingt in dem Ruf, ein guter Umgang zu sein. Auf ihren Gesellschaften soll es recht turbulent zugehen.«
    »Ja, stimmt. Ich hatte gehofft, das wäre vielleicht der Normalfall.«
    »Gott sei Dank nicht!« James spitzte pikiert die Lippen.
    »Na, wie dem auch sei, ich glaube, ich bin nächsten Samstag oder so auf einem Ball bei deinen Eltern eingeladen. Lord und Lady Pimplebottom.«
    »Das kann ich mir nicht vorstellen«, sagte James. »Meine Mutter legt sehr viel Wert auf einwandfreien gesellschaftlichen Umgang.«
    »Na, herzlichen Dank«, sagte ich und wandte mich zum Gehen. »Du bist wirklich ein Snob!«
    »Das sollte keine Beleidigung sein«, rief James mir nach. »Und was ist ein Snob?«
    Raphael lehnte bereits in der Tür, als wir zu unserem Klassenraum kamen. Und er sah so unglücklich aus, dass wir stehen blieben.
    »Hi, ich bin Leslie Hay und das ist meine Freundin Gwendolyn Shepherd«, sagte Leslie. »Wir haben uns Freitag vor dem Büro des Direktors kennengelernt.«
    Ein schwaches Grinsen erhellte sein Gesicht. »Ich bin froh, dass wenigstens ihr mich wiedererkennt. Ich hatte vorhin im Spiegel echt Probleme damit.«
    »Ja«, gab Leslie zu. »Du siehst aus wie ein Steward auf einem Kreuzfahrtschiff. Aber daran gewöhnt man sich.«
    Raphaels Grinsen wurde breiter.
    »Du musst nur aufpassen, dass die Krawatte dir nicht in die Suppe baumelt«, sagte ich. »Passiert mir ständig.« Leslie nickte.
    »Das Essen schmeckt übrigens meistens furchtbar. Ansonsten ist es hier nur halb so schlimm. Ich bin sicher, du wirst dich bald wie zu Hause fühlen.«
    »Du warst noch nie in Südfrankreich, oder?«, fragte Raphael ein wenig bitter. »Nein«, sagte Leslie.
    »Das merkt man. Ich werde mich niemals in einem Land wie zu Hause fühlen, in dem es vierundzwanzig Stunden am Stück regnet.«
    »Wir Engländer mögen es nicht, wenn man immer so schlecht über unser Wetter redet«, sagte Leslie. »Ah, da kommt Mrs Counter. Sie ist - zu deinem Glück - ein bisschen frankophil. Sie wird dich lieben, wenn du ab und an wie aus Versehen ein paar französische Wörter in deine Sätze einbaust.«
    »Tu
es
mignonne«,
sagte Raphael.
    »Ich weiß«, sagte Leslie, während sie mich weiterzog. »Aber ich bin nicht frankophil.«
    »Er steht auf dich«, sagte ich und warf die Bücher auf meinen Tisch.
    »Von mir aus«, sagte Leslie. »Aber er ist leider nicht mein Typ.«
    Ich musste lachen. »Ja, klar!«
    »Ach, komm schon, Gwen, es reicht, wenn einer von uns beiden den Verstand verloren hat. Ich kenne solche Typen. Die machen nur Probleme. Außerdem ist er nur interessiert, weil Charlotte ihm gesagt hat, dass ich leicht zu haben bin.«
    »Und weil du aussiehst wie dein Hund Bertie«, sagte ich.
    »Ja, genau, und deshalb.« Leslie lachte. »Außerdem wird er mich gleich vergessen haben, wenn Cynthia sich auf ihn stürzt. Guck mal, sie war extra beim Friseur und hat sich neue Strähnchen machen lassen.«
    Aber Leslie täuschte sich. Raphael hatte offensichtlich wenig Interesse an einem Gespräch mit Cynthia. Als wir in der Pause auf der Bank unter der Kastanie

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